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Yes. All Cops. – Warum wir ALLE COPS sagen

Posted: März 16th, 2021 | Author: | Filed under: In eigener Sache | Tags: | No Comments »
ACAB
 
Immer wieder wird das Argument vorgebracht, die pauschale Aussage ACAB  („All Cops Are Bastards“ – ein traditioneller Anti-Polizei-Spruch welcher aufgrund der Bezeichnung selbst problematisch istoder andere verallgemeinernde Beschreibungen der Polizei seien nicht zielführend. Denn schließlich gebe es doch auch anständige Polizist_innen und wer ohne hinzuschauen ALLE sagt,  mache sich selbst auch zum ProblemAber darum geht es eben gerade nicht: dass nicht alle Polizist_innen menschlich betrachtet Schweine sind, würden vermutlich nur die wenigsten in Abrede stellen. Aber wenn diese Menschen in ihrer institutionellen Rolle als ausführende Organe des staatlichen Gewaltmonopols unterwegs sind, dann spielt ihr persönlicher Charakter und Anstand keine Rolle. 
 
Dieses Argument ist ein Whataboutismus (eine Ablenkung), der auf dem rechten Narrativ [der rechten Darstellung] fußt, dass Vertrauen in die Polizei ihre Grundlage sei. Deswegen soll nicht die Polizei in Gänze oder gar als Institution an sich hinterfragt werden, sondern es geht immer wieder um schwarze Schafe. Das Argument des „Not all cops“ ist weitverbreitet, auch in linken Debattenräumen. Dabei ist es überhaupt nicht hilfreich und wenig fundiert, da es eine Kritik personalisiert, die aber tatsächlich auf die strukturelle Funktion von Polizei abzielt. 

Warum Vertrauen nicht hilft

Die Polizei ist seit ihrer Einführung vor knapp 200 Jahren mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet. Es gibt wenig bis keine öffentliche Kontrolle. Das bedeutet auch für tödliche Verbrechen durch Polizist_innen nahezu keine Konsequenzen. Wer jetzt die strukturelle Kritik von ACAB* & Co unterdrückt – teils gleichsetzt mit rechter  Menschenfeindlichkeit, lenkt ab davon, dass die Verselbständigung der Ausbreitung polizeilicher Macht immer weiter voranschreitet. Die Polizeigesetze sind ebenso Zeugnis davon, wie die Benennung eines polizeipositiven Politikers wie Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten oder der Verlauf der Debatte zum strukturellen Rassismus in der Polizei.
 
Ob alle Polizist_innen Menschen seien, ist eine Scheindebatte: natürlich sind das alles Menschen. Und die Diskussion wie viel Respekt ein bewaffneter Mensch in Uniform verdient, können wir führen. Aber zuerst gibt es andere Debatten und die richten sich auf strukturelle Fragen. 
 
Denn schließlich wurde Polizei gegründet um auf Befehl gewaltvolle Dinge zu tun. Eine geschichtliche Kontinuität, die gerade in Deutschland im NS-Staat fatale Folgen hatte. Das hatte unabhängig vom Charakter einzelner Cops mit der Struktur der Behörde und [fehlenden bzw. mangelnden Kontrollinstanzen] [mangelnder Kontrolle] schon im Kaiserreich und in der Weimarer Republik zu tun. 
 
Auch heute ist die Kontrolle polizeilicher Arbeit in vielen Demokratien mangelhaft [gering]. Nicht nur in Deutschland ist das Dunkelfeld von Straftaten im Amt gigantisch, aber auch die Strafverfolgung, wenn es zu Anzeigen kommt auffällig nachlässig. Es handelt sich also um ein Problem, dass über die Polizeibehörden hinaus geht. 

Polizei ist Feind autonomer Organisierung

Wer nicht Strukturen pauschal hinterfragen will, lenkt ab. Es ist kein Zufall, dass bspw. die populäre (beliebte) Pauschal-Anklage ACAB vom Bundesverfassungsgericht nicht als Beleidigung sondern als politische Meinungsäußerung gesehen wird. Menschen, die an einer Institution wie die Polizei teilnehmen, sind vielleicht die nettesten Leute, die 1 sich vorstellen kann, aber in ihrer institutionellen Rolle sind sie Monster, weil die Institution monströs ist.
 
Nur wenn wir das strukturelle Problem von Polizei und seine Wechselwirkung mit Politik und Justiz benennen, können diese für eine breite Öffentlichkeit sichtbar werden und für Betroffene Entlastung und vielleicht sogar so etwas wie Gerechtigkeit erkämpfen. Nur wenn die problematische Natur der (strukturellen) Macht (Autorität) der Polizei thematisiert wird, können wir gesellschaftliche Prozesse anstoßen, die über die wirkungslosen Reformen hinausgehen.
 
Wir müssen verstehen, dass die Polizei (jede_r Polizist_in) Feind autonomer Organisierung ist. Die Vision einer Welt ohne Polizei können wir aber nur ausgestalten, wenn wir alternative Strukturen dort aufbauen, wo wir sind.  

18. März – Tag der sogenannten politischen Gefangenen

Posted: März 15th, 2021 | Author: | Filed under: Knast | No Comments »

Knast überwinden

Lesedauer: ca. 5 Minuten 

Wir möchten uns dem Statement der GG/BO vom 26. Februar 2019 anschließen. 
 
Lesedauer: ca. 6 Minuten
 
(tl;dr)
Zusammengefasst kritisiert die Gewerkschaft, dass die radikale Linke dazu neigt, in sogenannte „politische“ und „soziale“ Gefangene bzw. Straftaten zu unterscheiden. 
Den sozialen Gefangenen wird dabei unterstellt, dass ihre Taten nur in einem gesellschaftlichen Zusammenhang stehen – nicht in einem politischen. Damit passiert eine Unterteilung in Gesellschaft und Politik, die völlig realitätsfern ist, denn natürlich beeinflusst die Politik die Gesellschaft in fast allen Bereichen, und ist gleichzeitig von ihr abhängig. 
Die GG/BO schreibt weiter, dass diese Unterteilung genau so bewertet, was okayes und nicht-okayes Verhalten ist, wie die Richter_innen, die über die Haftstrafen entscheiden. 
 
Das heißt aber nicht, dass gegen Knäste sein bedeutet, mit allen Taten bedingungslos solidarisch zu sein – das gilt ganz besonders, wenn es sich z.B. um patriarchale oder rassistische Täter_innen handelt. 
Hierbei ist es wichtig zu kritisieren, wie Knäste es eben nicht schaffen, marginalisierte Gruppen zu beschützen, sondern im Gegenteil: „All das, was wir außerhalb der Anstaltstore erleben, gegen was wir kämpfen und versuchen uns zu wehren, finden wir hinter Gittern noch einmal – allerdings gebündelter und in viel krasserer Form“.
 
Der Text schließt damit ab, dass alle Gefangenen durch die ausführenden Organe des Staates eingesperrt werden – und darum auch alle politisch sind: 
 
„Wir solidarisieren uns mit allen Menschen als „Personen in staatlicher Gefangenenschaft. 
Wir rufen alle dazu auf, den 18. März dafür zu nutzen, sich ebenfalls solidarisch mit allen Gefangenen zu zeigen.“
 
Wir möchten an dieser Stelle noch hinzufügen, dass dazu auch alle Gefangenen in Psychiatrien, Heimen und Border Camps zählen.
 
Als Anarchist_innen, Abolitionist_innen und Feminist_innen bekämpfen wir alle diese Formen von Zwang, Unterdrückung und lebensgefährlicher Gewalt durch den Staat. 
 
Alle Orte, an denen Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden, dürfen in unseren Utopien keinen Platz haben – und es muss zu unserer Praxis gehören oder werden, die Straf-, Abschiebe- und Einsperr-Logik in unserem eigenen Denken zu erkennen und zu bekämpfen!
 
Außerdem möchten wir dazu anregen, diesen Tag dazu zu nutzen, um mal in euren Bezugsgruppen, Wohngemeinschaften, Wahlfamilien, Infektionsgemeinschaften, etc darüber zu reden, wie ihr euch auf einen Psychiatrie- oder Knastaufenthalt einer oder mehrerer Personen vorbereiten könntet.
Wenn ihr euch sicher seid, dass euch das niemals passieren könnte, wünschen wir euch natürlich dass ihr da richtig liegt. Trotzdem ist es immer besser, zu viel als zu wenig vorbereitet zu sein. 
Je besser ihr und euer Umfeld vorbereitet seid, desto weniger Zeit geht im Notfall für hektisches Organisieren in der letzten Minute drauf – und desto mehr Kapazitäten bleiben für Care-Arbeit untereinander, einen liebevollen, Mut-machenden Abschied, eine Soli-Kampagne. 
 

Ein paar Fragen, die in diese Überlegungen mit einfließen könnten: 

 
– In welchen Knast würdet ihr kommen? 
– Warum könnte es euch passieren, in eine Psychiatrie eingewiesen zu werden? 
– Habt ihr eine Patient_innenverfügung?  
– Wisst ihr, welchem Geschlecht ihr oder eure trans Freund_innen zugeordnet werden würden?
– Könntet ihr aufgrund eures Geschlechts (lange) in Einzelhaft kommen? 
– Wie würdet ihr Kontakt zu euren Lieben halten, besonders wenn sie in eine andere
   Stadt/Bundesland fahren müssten, um euch zu sehen? 
– Welche Möglichkeiten gibt es, sich gewerkschaftlich zu organisieren? 
– Was für Self-Care-Skills wären gut, um auf den kompletten Verlust von Freiheit, Privatsphäre und sozialem Umfeld klarzukommen? 
– Wie umgehen mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit und dem eventuellen Wegfallen von 
   Coping-Strategien (z.B. kiffen, Fahrrad fahren, laut Musik hören usw.)?
– Seid ihr von irgendetwas abhängig? 
– Wer würde sich um Haustiere, von euch abhängige Menschen, die Miete, Versicherungen oder sonstige Verpflichtungen die ihr so habt kümmern? 
– Habt ihr Trigger oder Ähnliches, die im Falle eines Knast- oder Psychiatrie-Aufenthalts stark
  ausgelöst werden könnten (z.B. Platzangst, keinen Rückzugsort zu haben, Aggressionen, …)?
– Wer müsste auf jeden Fall informiert werden – oder gibt es Menschen, die absolut nichts davon erfahren sollen? 
 
 
Ressourcen, um euch die Vorbereitungen zu erleichtern: 
 
Der Ratgeber „Wege durch den Knast“, ein über 1.000 seitiger Schinken, zu allem, was wichtig ist. Kann kostenlos online gelesen werden. 
 
Blog der Gruppe Werner Fuss rund um das Thema Zwangspsychiatrie und Patient_innenverfügung.
 
Allerdings: Nina Hagen, die als Patron in einem transfeindlichen Netzwerk organisiert ist, macht sehr viel Aufklärungsarbeit und Aktivismus zur PatVerFü. Ihr Gesicht und Name ist daher überall auf den Seiten, wo 1 das Dokument runterladen kann. 
 
 
Habt, trotz allem, einen kämpferischen 18. März!
Passt aufeinander auf und macht mal wieder was kaputt! 
Schickt Briefe in die Knäste, solidarisiert euch, organisiert euch!
 
Aktuelle Gefangenenadressen findet ihr wie immer beim ABC Wien: 
 

Tod in Gewahrsam

Posted: März 11th, 2021 | Author: | Filed under: In eigener Sache | Tags: , , | No Comments »
Qosay

Rest in Power

Am Samstag, den 06.03.2021, bricht ein junger Mann in Polizeigewahrsam zusammen und verstirbt anschließend. Der 19-jährige Qosay war zuvor von Zivilbeamt_innen der Delmenhorster Polizei in einem Park festgenommen worden — wegen Verdacht auf Betäubungsmittelkonsum. 

Zum Ablauf der Ereignisse gibt es widersprüchliche Darstellungen. Laut Polizeibericht sei die Lage während der Kontrolle eskaliert, als Qosay einen Beamten mit der Faust geschlagen habe, woraufhin die Beamt_innen Pfefferspray einsetzten. 
 
Denkbar wäre aber auch, dass die Polizist_innen die Situation selbst von vornherein eskalativ angegangen sind, als sie sich auf ihr rassifiziertes Opfer stürzten, das sie beim Drogenkonsum erwischt hatten. Bewusst provozieren sie Qoray, schubsen ihn, schlagen ihn, treiben ihn in die Enge, wohlwissend dass sie am längeren Hebel sitzen. Mögliche bekannte Wechselwirkungen mit verschiedenen Substanzen ignorieren die Beamt_innen, als sich ihr Gegenüber wehrt. Obwohl Qoray das Pfefferspray nicht gut verkraftet und ohnmächtig wird, stecken sie ihn in eine Zelle. Als er nicht mehr reagiert, wird ein Notarzt gerufen. Zu spät.
 
Den tatsächlichen Hergang werden wir wohl nie erfahren, denn die Ermittlungen werden nicht unabhängig geführt. Aus “Neutralitätsgründen” ermitteln derzeit die Kollegen aus dem 20 Autominuten entfernten Oldenburg. Wie in so viele ähnliche Fällen in der Vergangenheit wirft die vorliegende Situation Fragen auf. Dabei legen bereits die spärlichen Details zum Ablauf nahe, dass dieser Tod auch zu vermeiden gewesen wäre.

Als #PolizeiAbschaffen-Kollektiv ist es uns wichtig, einige Details zu diesem Fall aus unserer Sicht einzuordnen:

Der Fall zeigt sehr anschaulich das ganze System auf, das Gewalt und immer wieder Morde an Menschen erzeugt. Hat die Polizei Qosay ermordet? Die Debatte ist müßig, denn es geht hier um ein strukturelles Problem, bei dem wohl kaum jemand bestreiten kann, dass Qosay noch leben würde, wenn die Polizei gar nicht erst eingegriffen hätte.

1. Zivilstreifen im Park

Das Problem beginnt damit, dass Polizist_innen in zivil durch einen Park in Delmenhorst (Wollepark) schleichen. Offensichtlich tun sie das mit dem Ziel, Menschen bei verschiedenen Verstößen gegen die “öffentliche Ordnung” zu ertappen und dafür zu belangen.
 
Warum ist ein solcher Einsatz von zivilen Sicherheitskräften eigentlich notwendig? Wessen Sicherheit wurde im vorliegenden Fall gewahrt und wer hat überhaupt etwas davon, wenn junge Menschen beim Kiffen im Park verhaftet werden? 
 
In einer Welt ohne Polizist_innen jedenfalls würden alle selbst darüber entscheiden können, was sie konsumieren.
 

2. Kriminalisierung von Betäubungsmittelkonsum

Polizist_innen, die in zivil durch Parks streifen, um (vermutlich) Cannabis-Konsument_innen mit Gewalt (zur Not auch tödlich) zu schikanieren. Wir wissen nicht genau, um welche Substanz es sich hier gehandelt hat. Das spielt aber auch keine große Rolle. Wer bspw. im Freien Cannabis konsumiert, begeht damit keine Straftat. Es gibt auch keine direkt Geschädigten, die durch die Polizei beschützt werden müssten.
 
Trotz der gesetzlichen Möglichkeit, von einer Strafverfolgung abzusehen – Qosay würde dann noch leben (!!!) – werden Drogenkonsument_innen systematisch Ziele von Polizeigewalt.
 
Wann kommt eine progressive Drogenpolitik, die Abhängige nicht kriminalisiert und dafür sorgt, dass sie nicht mehr Konflikte mit Polizist_innen erdulden müssen, sondern Hilfe erfahren?
 
Andere Länder (z.B. USA, Portugal, uvm.) haben hier längst die Konsequenz gezogen, dass zwischen dem Problem und seiner vermeintlichen “Lösung”, welche allzu häufig Gewalt und sogar Todesopfer mit sich bringt, keinerlei rationales Verhältnis besteht, und den Besitz und Konsum entkriminalisiert. 

3. Rassistische Polizeibrutalität

Migrantifizierte und rassifizierte Menschen werden häufiger Opfer von Polizeigewalt. Seit 1990 zählt Death in Custody 180 Todesfälle von Nicht-Weißen in deutschem staatlichen Gewahrsam. Allein 2020 gab es 12 bekannte Fälle rassifizierter Menschen, die in Gewahrsam starben.
 
Wann wird der strukturelle Rassismus der Polizeibehörden endlich als Problem erkannt und bekämpft?
 

4. Informationsgefälle und Pseudo-Neutralität

Immer, wenn es im Zusammenhang mit einem Polizeieinsatz zu Toten kommt, wird das Ermittlungsverfahren an eine benachbarte Behörde übergeben. Für Delmenhorst ist im vorliegenden Fall Oldenburg benannt worden. In den diesbezüglichen Polizeimeldungen ist davon die Rede, dass auf diesem Wege die Neutralität der Ermittlungen gewahrt werden soll. Dieses Narrativ wird in der Regel verbatim von den Mainstreammedien übernommen, obwohl schon seit einiger Zeit selbst der Deutsche Journalistenverband davor warnt. 
 
Ermittlungen von Polizist_innen gegen Polizist_innen unter Einbezug einer voreingenommenen Staatsanwaltschaf können nicht neutral sein. Insbesondere wenn es sich um den Tod von Migrant*innen und BIPoc+ durch ein rassistisches Copsystem handelt, welcher dann von einer auch insitutionell rassistischen Justiz aufgeklärt werden soll. Regelmäßig werden diese Ermittlungen insbesondere bei Tötungsdelikten vorzeitig aufgrund von vermeintlicher Notwehr- und Nothilfe-Handlungen eingestellt.
 
Wann wird es in derartigen Fallen endlich Ermittlungen durch unabhängige Instanzen geben? Wie kann das Narrativ-Monopol der Polizei eingeschränkt werden?
 
In Anbetracht der anstehenden Wahlen (u.a. Bundestag) ist für uns leider klar, dass keine Partei das Thema #PolizeiAbschaffen in ihr Wahlprogramm aufnehmen wird. Die Schaffung einer unabhängigen öffentlichen Kontrolle der Polizei und die Stärkung der Rechte der von Polizeigewalt und -brutalität besonders betroffenen Menschen wären wichtige erste Schritt in diese Richtung. Wir wünschen uns daher, dass diese Anliegen auf die Straßen getragen und endlich gebührend sichtbar werden, wie heute zum Beispiel bei abendlichen spontanen Demos mit hunderten Teilnehmer_innen in Frankfurt und Bremen geschehen.
 
Wir solidarisieren uns mit den Angehörigen und Freund_innen von Qosay und mit allen Betroffenen von Polizeigewalt und staatlicher Diskriminierung. No justice, no peace!
 
Das #PolizeiAbschaffen-Kollektiv ist eine Gruppe von Menschen, die die Vision einer Welt ohne staatliche Gewalt möchte. Mit dem ersten #PolizeiAbschaffen-Camp im August 2021 soll ein Forum für alle geschaffen werden, die sich eine solidarische Welt ohne Polizei und Repression wünschen.

#PolizeiAbschaffen-Camp 2021 – call for participation

Posted: November 4th, 2020 | Author: | Filed under: Welt Ohne Polizei | Tags: , | No Comments »

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OK – das ist ein Experiment: wir machen in 2021 ein #PolizeiAbschaffen-Camp. Dafür braucht es euch – alle! Meldet euch, wenn ihr Teil der Orga, Teilnehmende oder Mitwirkende sein wollt. Schreibt uns eine E-Mail, damit wir dann auf verschlüsselten Kanälen vernetzen können.

Wann?

von 26.-29.08.2021

Wie?

Corona bedingt wird das Camp 2021 als virtuelle Konferenz stattfinden. 2022 dann hoffentlich als Real-Life-Aktionscamp.

Wen wir suchen?

– Forschende & Aktivist_innen zu Polizei, #AbolishThePolice und Transformative Justice
– Menschen mit Erfahrung mit Nachbarschaftsorganisation ohne Polizei
– Betroffene von rassistischer Polizeigewalt
– und alle mit Interesse rund um das Thema #Polizeiproblem.

Was wir zusammen aufbauen wollen?

– Vernetzung
– Wissensaustausch und -aufbau
– Neue Ideen entwickeln und voranbringen
– PoC only Area

Ziel: endlich eine fundierte Debatte zur Rolle der Polizei in der Gesellschaft und #1WeltOhnePolizei.

Programmübersicht:

do: Eröffnung, Ausblick, Socializing
fr: Geschichte der Polizei
sa: aktuelle Probleme mit der Polizei mit Panel
so: praktische Ansätze, Perspektiven-Panel

Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr das weiterverbreitet und in eure Gruppen tragt, damit es kein Weisse-Cis-Mann-Event wird, sondern ein Event der möglichst viele Kämpfe verbindet. Wir freuen uns über eure Vorschläge.

Über uns

Das #PolizeiAbschaffen-Camp vorzubereiten kostet viel Zeit – und damit Geld. Auch Infrastruktur und Honorare für Referent_innen müssen wir stemmen. Hier kannst du uns dabei unterstützen.


Massaker mit 10.000 Schüssen: Der Blutmai 1929 in Berlin

Posted: November 4th, 2020 | Author: | Filed under: Geschichte | Tags: , , | No Comments »

Stellt euch vor:
☑️ SPD-Regierung
☑️ Versammlungsverbot
☑️ Aufruf zu Verstößen
☑️ Sponties
☑️ Polizeigewalt

Am Ende sind 33 Menschen, die meisten Unbeteiligte, tot.

Ein Thread zum #Blutmai 1929.

„Die Polizei, die nach eigener Zählung 10.981 Schüsse abgegeben hatte, musste nur 47 verletzte Beamte beklagen, zehn kamen ins Krankenhaus. Nur einer hatte eine Schussverletzung erlitten – durch unsachgemäßes Hantieren mit seiner Waffe.“ (Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/unruhen-in-berlin-1929-blutige-tage-im-mai/24266080.html)

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Wie so viele Ereignisse der Geschichte, in denen Polizeigewalt in all ihrer Konsequenz sichtbar wird, ist der #Berlin|er Blutmai 1929 ein eher unpopuläres und oft im Sinne des heutigen Staatsnarrativs verklärtes Verschwommenes im Kontext der sterbenden Weimarer Republik.

Das liegt wohl auch daran, dass Ereignisse wie der Blutmai nicht nur das bürgerliche Bild des Freund und Helfer und „Bollwerk gegen die Anarchie“, sondern auch das Verständnis vom gütigen Staat der Freiheit erschüttert.
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Dabei hängt der Blutmai auch mit Kriminalisierung antifaschistischen Protests, Polizeischutz für Nazis und Hufeisen-Denken zusammen. Links wird als Gefahr gesehen, während Hitler bloß verständliche nationalistische Bedürfnisse befriedigt. Das Versammlungsverbot rührte daher…
Ende 1928 gab es einige Provokationen durch Hitler und Goebbels mit Auftritten in Berlin. Die Polizei schützte die Veranstaltungen. Es gab massiven Protest. Als Folge: das Verbot „aller Versammlungen unter freien Himmel“ von Polizeipräsident Zörgiebel (SPD).
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Das gemeinsame Feindbild von Nazis und Bürgerlichen sind Kommunisten. Goebbels forderte, die „Braunhemden“ vor „tumultuarischen Szenen“ eines „wüsten Mobs“ zu schützen.

Für mich klingt das sehr wie die heutigen Dämonisierungen von Antifa. Aber hey… 🤷

Mit dem Verbot möchte die bürgerliche Regierung Berlins a. Härte zeigen, um das Schwachreden des Staats von rechts zu kontern und b. über die eigene Überforderung hinwegzutäuschen. Ein gemeinsamer Feind in Form der KPD kommt da gerade Recht. Denn es geht 1929 nicht nur um rechts gegen links, sondern auch um SPD gegen KPD, Sozialdemokraten gegen Kommunisten. In der KPD ging’s stalinistisch zu, und der Personenkult um Stalin und Ernst Thälmann nahm immer mehr zu. Ab 1928 setzte sich „sozialfaschistisch“ für SPD fest.
Die SPD hingegen wollte sich mittig-bürgerlich profilieren und positionierte sich gegen die KPD, die aus ihrer Sicht die innere Ordnung in der Weimarer Republik gefährdete. Also: Versammlungsverbot zum 1. Mai – what could go wrong?
Ein Menge! Und das mit Ansage und brutaler Gewalt eines Staates, der später behaupten wird, von der Brutalität Hitlers überrascht worden zu sein.
Auch wenn die Aufrufe der KPD revolutionär klingen mögen: Geplant war eine friedliche Demonstration – das wußte auch der Polizeipräsident.

»Die Demonstration soll einen friedlichen und unbewaffneten Charakter tragen.«

Quelle: Probleme/Projekte/Prozesse Blutmai 1929
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Auch heute noch geht es dann so: Gewaltandrohung und Dämonisierung. Dazu erschienen in der sozialdemokratischen Presse gegen die KPD gerichtete Verdächtigungen:
„Die KPD braucht Leichen“ oder „200 Tote am 1. Mai“.
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Zum 1. Mai wurden dann etwa 13.000 Polizisten in Berlin zusammen gezogen. Während SPD und Gewerkschaften den Tag in zahlreichen Lokalen begehen, versuchen KPD und Co auf der Straße Demozüge zu formieren. Cops gehen dagegen mit Gummiknüppeln, Wasserwerfern und Warnschüssen vor.
Dabei werden quasi alle Zusammenkünfte auf offener Straße angegriffen. Die Polizei scheitert kläglich, als Gewerkschaftsveranstaltungen enden und die Menschen auf die Straße gehen und sich anschließen.
Rund 200.000 werden geschätzt. Trotzdem kommt es überall zu Clashes und Angriffen der Cops. Es werden Barrikaden errichtet. Die Polizei schießt wahllos auf Menschen. Die Polizei setzt Panzerautos ein, schießt oft wahllos in Hausflure und in Fenster, durchsucht Wohnungen.

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Das erste Opfer ist wohl ein Sozialdemokrat. Max Gmeinhardt kehrt von einer Maifeier zurück nach Hause. Als er der Forderung, sein Fenster zu schließen nicht sofort nachzukommt, eröffnen Cops das Feuer und treffen ihn in den Kopf.
Für den 2. Mai ruft die KPD zu Protesten gegen die Polizeigewalt auf, was die Polizei zu weiterer Eskalation veranlasst. Es werden Wohnungen durchsucht und viele gefangengenommen. Wedding und Neukölln werden abgeriegelt.
Am 3. Mai gibt es eine totale Ausgangssperre: Herumstehen war verboten, Fahrradfahren, das Zusammentreffen von mehr als drei Personen. Fenster zur Straße waren geschlossen zu halten, in den Zimmern durfte kein Licht brennen.
„Alle Personen, welche diese Anordnungen nicht befolgen, setzen sich Lebensgefahr aus“ so Polizeipräsident Zörgiebel.
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Dann startet eine Säuberungsaktion: Cops dringen in vor, nehmen die jeweils andere Straßenseite unter Feuer. Ein Panzerwagen beschiesst die oberen Stockwerke und weitere MG-Stellungen werden aufgebaut, Häuser durchsucht. Am Morgen des 4. Mai ist der Widerstand zusammengebrochen.
In der Folge gehen staatliche Stellen hart gg. die KPD vor – sie habe die Unruhen provoziert. Und das obwohl Schüsse auf die Polizei sich in keinem Fall bestätigen. Spaltung der Linken ist unversöhnlich. Der Mythos der blutrünstigen Radikalen Linken lebt.
Epilog: Die Darstellung der Episode des Blutmai ist mMn äußerst gelungen. Für eine Linke, die Polizei fundiert kritisieren will, ist es wichtig, die Situation um den Mai 1929 zu verstehen. Zu verstehen, dass Gewaltexzesse kein Zufall und auch kein neues Phänomen sind.
Die Kommunisten waren u. a. stalinistisch drauf und wahrscheinlich nicht das, was ich mir heute unter einer radikalen Linken vorstelle, aber sie haben gekämpft. Einen aussichtslosen Kampf gegen die SPD, gegen Nazis und einen Staat, der wieder Krieg in die Welt bringen wollte.
Während meiner Recherche bin ich außerdem auf mehrere Seiten der #dgb gestoßen, auf der von „wilden Schießereien“ die Rede ist. Ausgerechnet ein Gewerkschaftsbund, der der rechten #GdP ein Zuhause gegeben hat, sollte sich schämen, die Geschichte derart zu verzerren.

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Musste im Zusammenhang mit dem Blutmai immer wieder auch an das Massaker 1961 in Paris denken. https://twitter.com/Resistance2O20/status/1317358496199954432?s=20


Kurze Geschichte der Polizei

Posted: Oktober 27th, 2020 | Author: | Filed under: Polizei & Nazis | Tags: , , , , , | No Comments »
Das Konzept Polizei im heutigen Sinne ist nicht mal 200 Jahre alt. Dabei beziehen sich die Daten im Zeitstrahl auf bestimmte Ereignisse zur jeweiligen Gründung der ersten Polizeien. Danach breitete sich das Konzept nach und nach in den Ländern aus.
 
 
Um die Entstehung von Polizei zu verstehen, muss 1 die Entwicklung des Kapitalismus (⚠️verkürzt!!!) betrachten. Der Amerika-Handel, Versklavung von Menschen und Ausbeutung von Gold, Silber und Rohstoffen führte zur Bildung einer immer reicheren Bourgeoisie. Diese entfernte sich immer mehr von der Arbeiterklasse und war immer weniger bereit ihren Reichtum zu teilen. Verständlicherweise wuchs dagegen Widerstand. Es gab zwar noch keine Cops, aber immer öfter mussten die Reichen Gewalt anwenden, um die Armen zu kontrollieren. Dazu wurde immer wieder die Armee hinzugezogen. Problem: Die Armee ist nicht in Aufstandsbekämpfung spezialisiert, sondern im Töten. Tote werden zu Märtyrern ihrer Bewegungen. Das stachelt den Widerstand noch weiter an. Und genau das passiert…
 
Nach der franz. Revolution war die Angst in England groß vor einer englischen Revolution. Öffentliche Versammlungen werden auf 50 Menschen begrenzt. Trotzdem organisieren Menschen immer größere Protest-Kundgebungen. So wie 1819 in Manchester. Soldaten wurden daraufhin in eine Menge von 80.000 Menschen geschickt, wobei Hunderte von Menschen verletzt und elf Menschen getötet werden. Das Peterloo-Massaker löste eine Welle von Streiks und Protesten aus. 
 
Immer größere wirtschaftliche Ungleichheit, immer mehr Arme in den immer größeren Städten – die Herrschenden brauchen neue Institutionen, um diese Lage unter Kontrolle zu bekommen. 1829, 10 Jahre nach Peterloo wird mit dem Metropolitan Police Act die London Police gegründet. Die neue Behörde wird speziell entwickelt, um Menschenmengen „nicht tödliche Gewalt“ zuzufügen, um sie zu spalten, während die Schaffung von Märtyrern vermieden wird. 
 
Klar, dass eine Organisation, die routinemäßig Gewalt anwendet, immer wieder Menschen tötet. Aber für jeden Polizeimord gibt es Hunderte oder Tausende Fälle von Polizeigewalt, nicht tödlich sind – berechnet und kalibriert, um Einschüchterung hervorzurufen. Wenn die Londoner Polizei nicht zur Kontrolle von Menschenmengen eingesetzt ist, wird sie in die Stadt verteilt, um das tägliche Leben der Armen und der Arbeiterklasse zu überwachen. Das fasst auch die Doppelfunktion der modernen Polizei zusammen. 
 
Schon damals gibt es die verstreute Form der Überwachung und Einschüchterung, die den Namen der Verbrechensbekämpfung trägt. und dann gibt es die konzentrierte Form der Aktivität, um es mit Streiks, Unruhen und größere Demonstrationen aufzunehmen. 
 
Wir halten fest:
in England entsteht die Polizei, Menschenmassen zu kontrollieren und die immer wachsende Ungerechtigkeit der kapitalistischen Herrschaftsordnung zu sichern. Im Gebiet der heutigen USA gehen wir in die Zeit der Revolution, um die Entstehungsgeschichte der Polizei einzuordnen: Vor der Revolution gab es in den englischen Kolonien keine Polizei. Es gab eine selbst organisierte Nachtwache, alles andere wurde untereinander geregelt.
 
Herren – also Menschen mit Besitz – beaufsichtigten ihre Sklaven, Diener und Lehrlinge. Als die Revolution begann, unterstützten die Herrschenden den Protest und förderten die Organisation von Widerstand gegen die britischen Behörden. So entsteht ein sehr effektiver Widerstand durch alle Schichten gegen die Briten mit dem bekannten Erfolg.
 
Festzuhalten ist: die unteren Schichten haben die Drecksarbeit in diesem Konflikt geleistet. Doch als die Briten besiegt waren bauen die Eliten ihre eigene Regierung auf. Und natürlich hatten sie dann genug von aufständischer Organisation. Während nun das entstehen eines Arbeits- und eines Wohnungsmarktes die sozialen Dynamiken und das Leben in Städten veränderte, kamen immer mehr irische Einwanderer in Städte wie New York. Die Iren sind nicht besonders beliebt, da sie als billige Arbeitskräfte bereitstehen. So wohnen in oft Iren und Schwarze in den gleichen Vierteln nebeneinander. Noch bevor es eine richtige Polizei gibt, gibt es racial profiling genau in diesen Vierteln.
 
 
In Vierteln, die von Iren und ehemaligen Sklaven bewohnt werden, gibt es häufiger Patrouillen. Den religiösen und rassistischen Spaltungen liegen wirtschaftliche Ursachen zugrunde. Irische Arbeiter waren im Allgemeinen weniger qualifiziert und verdienten niedrigere Löhne.
 
Gleichzeitig wurden die Jobs in den Werkstätten „entqualifiziert“, um sie mit billigeren Arbeitskräften zu besetzen. So wurden die ansässigen Arbeiter Teil eines echten Arbeitsmarktes, da sie ihre langfristigen Verträge verloren und befanden sich auf der Lohnskala nur 1 Stufe über den irischen Einwanderern. Schwarze Arbeiter waren ein oder zwei weitere Stufen von der irischen Lohnskala entfernt. Im wachsenden NYC entstand eine riesige Konkurrenz. Und so kämpften Gruppen derselben Klasse ihre eigenen Kämpfe, nicht selten gegeneinander. Es kam – super-verkürzt gesagt – zu regelmäßigen Riots unterschiedlicher Gruppen. In der Zeit zwischen 1825-1830 etwa 1 Riot/Monat. Eine für die Herrschenden besonders beeindruckende Riot fand an Neujahr 1828 statt: mehrere tausend „Anglo workers“ randalierten Richtung Broadway, wo die Reichen wohnten. Unterwegs zerstörten sie Geschäfte, zerbrachen Scheiben und griffen Menschen einer African Church an.
 
Als die Menge das City Hotel erreicht, wo die Reichen feiern, blockieren sie die Straße und die Kutschen, die die Damen und Herren nach Hause brachten, wurden blockiert. Daraufhin wurde eine starke Gruppe von Watchmen versammelt, um die Rädelsführer in Gewahrsam zu nehmen. Da kommt es zu einem kurzen „Waffenstillstand“. Dies ermöglicht es der „Watch“, sich über den Kampf klar zu werden, in den sie geraten würden. Währenddessen bewaffnet sich die Menge mehr und mehr. Die „Watch“ tritt zur Seite und lässt die Menge triumphierend passieren. So fand dieses Spektakel des Trotzes der Arbeiterklasse vor den Augen der Familien statt, die New York City regierten. Zeitungen forderten daraufhin eine wesentliche Erweiterung der Watch. Der Aufstand von 1828 – und ein Jahr großer Riots im Jahr 1834 – beschleunigte eine Reihe von schrittweisen Reformen, die schließlich zur Gründung des New Yorker Police Department im Jahr 1845 führten. Die Reformen von 1845 erweiterten die Polizei, professionalisierten sie und zentralisierten sie mit einer militärischeren Befehlskette. Der Dienst wurde auf 24 Stunden erweitert, Polizisten wurde verboten, einen zweiten Job anzunehmen. Die Bezahlung wurde erhöht, und die Polizei erhielt nicht mehr einen Teil der Geldstrafen, die von den Tätern eingezogen wurden.
Das gab mehr Freiheit, Richtlinien und Prioritäten festzulegen – machte die Polizei aber auch empfänglicher für Bedürfnisse der Wirtschaftseliten. In den Südstaaten war die Entstehung der Polizei von anderen Rahmenbedingungen geprägt: Eine der ersten modernen Polizeikräfte der Welt entwickelte sich in Charleston, South Carolina, noch bevor die New Yorker Polizeikräfte voll professionell wurden.
 
Der Vorläufer der Polizei von Charleston war keine Gruppe städtischer Watchmen, sondern Sklavenpatrouillen, die auf dem Land operierten, um entlaufene Sklaven einzufangen und/oder zu bestrafen. /31
In allen Südstaaten durchstreiften vor dem Bürgerkrieg bewaffnete Polizeipatrouillen Tag und Nacht die Landschaft und schüchterten Sklaven ein, terrorisierten und misshandelten sie. /32
Dabei handelte es sich idR um freiwillige weiße Bürger, die ihre eigenen Waffen zur Verfügung stellten. Im Laufe der Zeit wurde das System immer mehr in das Stadtleben eingegliedert. Die weiße Bevölkerung des Südens, sowohl in der Stadt als auch auf dem Land, lebte in ständiger Angst vor Sklavenaufständen – tja, das schlechte Gewissen. 
 
Schwarze auf dem Land wurden ständig überwacht und es gab innerhalb des anstrengenden Arbeitsregimes für Sklaven nur wenige Möglichkeiten, soziale Verbindungen aufzubauen. In Städten, wie Charleston war das anders, wie Weiße häufig verärgert oder alarmiert bemerkten.
 
Long story short: Industrialisierung bringt gewisse Freiheiten für Sklaven, die von ihren Besitzern in die Städte zum Arbeiten vermietet werden. So entstehen schwarze Viertel und eine schwarze Arbeiterklasse.
(Bildquelle: sciway.net/hist/chicora/f…)
 
Nur mal zur Einordnung: 1818 trennten sich mehr als 4.000 freie Schwarze und Sklaven von den gemischten methodistischen Kirchen der Stadt und bauten eine African Methodist Episcopal (AME) -Kirche in Charleston Neck. 
 
Da die Bedingungen in den Städten im Süden also dramatisch freier waren als auf den Plantagen, musste der Staat eingreifen, um die Repressionsarbeit zu erledigen, die die Sklavenmeister normalerweise erledigt hatten.
 
So entwickelt sich in den 1820er Jahren eine „moderne“, von der Stadt geführte Polizei, die sowohl die nächtliche Belästigung der schwarzen Bevölkerung als auch die Bereitschaft zur raschen Mobilisierung zur Kontrolle von Menschenmengen durchführt. 
 
Schwarze, selbst freie Schwarze, die nach einer Ausgangssperre ohne akzeptable Entschuldigung erwischt wurden, wurden über Nacht auf die Wache festgenommen und bekamen bis zu 39 Peitschenhiebe, nachdem ein Richter den Fall am Morgen untersucht hatte. 
 
Diese Praxis geht auf die Kolonialzeit zurück und spiegelte die Methoden der ländlichen Sklavenpatrouillen wider. Wie in New York war der große Unterschied, dass die Garde im wesentliche eine bezahlte Truppe und nicht mehr eine Gruppe von einberufenen Bürgern war. 
 
In den 1830ern ist durch verschiedene rassistisch motivierte Moves der weißen Stadtbevölkerung und der Stadtverwaltung, sowie Reaktionen der schwarzen Gemeinden eine Polizei-Truppe gewachsen, die wesentlich militarisierter und repressiver ist, als die Polizeien im Norden. 
 
Die spezifische Geschichte der Polizeikräfte in den USA war wie auch in England von Stadt zu Stadt unterschiedlich, aber alle konzentrierten sich auf ähnliche institutionelle Lösungen, die irgendwo zwischen New York und Charleston lagen. 
 
Die Natur der Polizei ergibt sich aus der Natur des „Problems“: einer städtischen arbeitenden Bevölkerung, die als Lohnarbeiter und Handwerker eine gewisse wirtschaftliche Autonomie entwickelt hat und so ein selbstbewusstes, kollektives Eigenleben führte.
 
Die Erfahrungen im Süden bestärken lediglich einen Aspekt, der im Norden bereits klar war: Anti-schwarzer Rassismus wurde vom ersten Tag an in die amerikanische Polizeiarbeit eingebaut. Das Selbstverständnis ist geprägt von Sklavenjäger-Mentalität. (Uff!) 
 
Und jetzt endlich zur deutschen Polizei…
 
Aber Moment! Wer mehr und viel detailreicher zur Entstehung von Polizei in UK und USA lernen mag, findet bei David Whitehouses „Origins of Police“ den perfekten Einstieg.
 
Der Begriff Polizei, der vom griechischen polis stammt, ist wesentlich älter, als die Polizei selbst und bezeichnete die staatliche Funktion mit absolutistischer Macht, die Gesellschaft für die Sicherheit und das Wohl der Untertanen zu ordnen. So ensteht eine Idee von Polizei auf der ganzen Breite des gesellschaftlichen Lebens: den Willen des Herrschers (sprich: Kaisers) durchzusetzen, statt aus eher speziellen Einsatzzwecken, wie in UK und USA. Das Treiben auf den Märkten, Baurecht, Sitte sollen geregelt werden – gleichzeitig setzt sich das Verständnis vom Stellvertreter des Kaisers fest. Nach den Napoleonischen Kriegen entstehen nach französischen Vorbild Gendarmerien, auch um Räuberbanden im verwüsteten Land in den Griff zu bekommen. Die erste Gendarmerie entsteht 1808 in Lippe. Mit dem Frieden nehmen die Bandenaktivitäten ab, die Gendarmerien können das als ihren Erfolg verbuchen. Und so werden in den folgenden Jahren überall Pranger und Schafott endgültig durch das neue System der Polizeien und den angeschlossenen Gefängnissen verdrängt. 
 
Die Polizeien vernetzen sich mehr und mehr und es entsteht eine neue Struktur staatlicher Gewalt. Auch in Deutschland dient diese dazu, revolutionäre Widerstände gegen die immer ausbeuterischen Ausmaße des Kapitalismus‘ zu brechen. Laut des Historiker Alf Lübke erzeugt dieses Netzwerk eine tiefsitzende Untertanenhaltung, die so nachhaltig ist, dass sie so gar den scheiternden Widerstand gegen den Nationalsozialismus beeinflusste. Who knows…
 
Die Zahl der Verbrechen beeinflusst die neue Behörde allerdings nicht. Besonders Eigentumsdelikte nahmen immer weiter zu. Auch Gewaltdelikte stiegen während der 1830er Jahre immer weiter an. Aber an vielen Orten ist die Polizei schlecht ausgestattet. Das ändert sich im Kaiserreich. Polizisten verdienen das Doppelte eines Arbeiters und sorgen für Ordnung und die Durchsetzung von gesellschaftlichen Normen nach dem Selbstverständnis des Kaiser-Stellvertreters.* 
 
*Benutze für diese Zeit bewusst nur die beschreibende männliche Form, da es keine weiblichen Polizisten gibt. Gesellschaftliche Normen und so. @bini_adamczak würde das wohl anders handlen. (Lest ihr Buch „Kommunismus“ – schöner kann eine nicht gendern!) 
 
Dabei sind die Aufgaben der Polizei auch absolutistisch politisch: sie hat dafür zu sorgen, dass Demonstrationen nicht geschehen oder nicht ausufern konnten. Die meisten Polizisten hatten militärische Lebensläufe. Die Polizei hat ein unnahbares Verhältnis zur Bevölkerung. 
 
Mit der Bevölkerungsexplosion durch die Industrialisierung und Konflikte des Dreiklassenwahlrechts wächst auch die Stärke der Polizei immer weiter an. Es entstehen Steckbriefsammlung und systematische „kriminalistische Arbeit“ – und so auch Stigmatisierung bestimmter Gruppen. 
 
In der Zeit nach 1848 wird außerdem mit der reaktionären Motivation eine weitere Revolution mit allen Mitteln zu verhindern, die Überwachungskapazitäten der Polizeien im deutschsprachigen Raum ausgebaut. Abhören, Briefe öffnen, zentrale Register errichten, uvm.
 
Eine Kriminalpolizei, die eng mit der politischen Abteilung zusammenarbeitet, wird bei der Berliner Polizei aufgebaut. Techniken wie absichtliche Provokation, Bestechung, Betrug, Diebstahl, Fälschungen und Meineide, um politische „Gegner“ gehörten dort zum Handwerkszeug. Ein guter Augenblick um einmal kurz Inne zu halten: die DNA der deutschen Polizei ist absolute Autorität und die Verfolgung aller, die den reaktionären Staat in Frage stellen mit allen Mitteln. Wüsste gerne mal, wie die Geschichte in deutschen Polizeischulen erzählt wird. 
 
Die Korruption oder das #Polizeiproblem des 19. Jahrhunderts wird nicht selten öffentlich. Doch trotzdem wird nicht viel gegen diese Probleme unternommen. Dabei spielt die Unterstützung und das Verständnis aus bürgerlichen Kreisen eine entscheidende Rolle. Unter Beifall des Bürgertums, wird 1870 der Streifendienst eingeführt und die Polizei erhält immer weitere Befugnisse (Polizeihaft). Bedenken gibt es kaum – trotz Willkür und häufigen Gesetzeswidrigkeiten, mit der die Polizei andere Bevölkerungsgruppen behandelt. Opfer der Polizei waren Katholiken (–> Kulturkampf), Linke („Sozialisten“), Arbeiter, Menschen aus der Unterschicht, Obdachlose, ethnische Minderheiten wie Polen oder Sinti*ze und Rom*nja – und Frauen, die unter dem Vorwand der Sicherheit von Polizei gegängelt werden. 
 

Next stop: 1. Weltkrieg.

1914-18 sind auch viele Polizisten als Soldaten in den Schützengräben. In den politischen Auseinandersetzungen nach dem Krieg ist die Polizei überfordert.

Militär <-> Polizei
Polizei <-> Militär

(Mehr hier)

Die Folgen sind brutal und nachhaltig…
Image
Mit dem rechten Auge ebnet die Polizei den Nazis den Weg, aber jetzt soll das dunkelste Kapitel der deutschen Polizei erst anfangen. Auch wenn es wenige Hinweise auf Nazi-Zellen in der Polizei vor 1933 gibt, spricht Hitler vielen Cops aus der Seele.
 
Die Polizei ist mittendrin statt nur dabei, wenn es besonders in den frühen Jahren des NS-Reiches darum geht, allen Widerstand brutal auszuräumen. Als ‘Feinde der Volksgemeinschaft’ bezeichnete Minderheiten wurden von den Nazis eingeschüchtert oder ausgeschaltet. Dabei war die Polizei ein ebenso unentbehrlicher wie williger Helfer. Das wird während der Novemberprogrome 1938 besonders gut sichtbar und den Betroffenen zum Verhängnis. In den Progromnächten sperren Cops die Straßen und sorgen dafür, dass die Übergriffe stattfinden können.
 
Die Polizei hält Mitglieder jüdischer Gemeinden vom Löschen ihrer Gotteshäuser ab und mischen auch bei den Verwüstungen mit, wie Fotos aus den Nächten belegen. Eine besonders vollständige Fotoserie (wahrscheinlich aus Fürth) findet sich hier.
 
https://twitter.com/ElishevaAvital/status/1060914915588915200
 

Vielerorts nahm die Polizei noch in den Pogromnächten jüdische Menschen in „Schutzhaft“.

Fazit: Ohne die Polizei wären die Pogrome anders verlaufen.

Und auch das ist bloß ein Anfang…

Polizeiregimenter sind bei der Einrichtung der ersten KZ gleichwertig mit SA und später SS beteiligt und stellen Wachmannschaften und Logistik. Und sie fahren an die Ostfront, massenmorden hinter den Linien der Wehrmacht.

Nach dem Krieg gehen alle Cops vom Fronteinsatz zurück in den Regeldienst. Die wenigsten müssen sich jemals für ihre Verbrechen verantworten. Übrigens ebenso niemand für Verbrechen der Weimarer Morde der Polizei. 

Und wer behauptet, die moderne Polizei habe mit dem NS-Staat aber doch gar nichts zu tun: die Mörder waren die Ausbilder der heutigen Ausbilder. Praktiken vergangener Zeiten blieben, wie struktureller Anziganismus uvm.

(Kontext dazu hier ab 9:20)

Aber noch ein Disclaimer: meine Recherchen sind work-in-progress, werden sie immer sein. Die Geschichte der Polizei – insbesondere der deutschen – ist ein ziemliches Dunkelfeld. Wenn ihr was wisst, ergänzt bitte und gebt Hinweise! DANKE fürs Lesen!

Kevin Kühnert zu G20: Die Zeit ist ein bisschen drüber hinweg gegangen

Posted: August 26th, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik | Tags: , , , | No Comments »

Lanz: Sie waren damals bei G20?

Kühnert: Nicht bei den Krawallen auf der Elbchausee, aber bei den Demonstrationen, die ein relevantes politisches Anliegen hatten, nämlich für ‘nen anderen globalen Handel und ‘ne andere Gestaltung von Entscheidungsprozessen.

Lanz: Genau. Hat Scholz Recht? Gab es keine Polizeigewalt?

Kühnert: Ich finde es ziemlich offensichtlich, dass es damals, ähm, natürlich auch, also: Es ist die Aufgabe von Polizei, äh, sie ist Inhaber der Staatsgewalt sozusagen an der Stelle. 

Lanz unterbricht.

Lanz: Wie wäre der Satz jetzt weitergegangen an der Stelle? Dass es damals…”

Kühnert: Hm?

Lanz: Sie haben gerade den Satz angefangen, “Ich find es offensichtlich…”

Kühnert: Ja, und dann bin ich abgebogen und hab den Satz anders zu Ende gebracht.

Lanz: Warum sind Sie abgebogen?

Kühnert: Weil ich natürlich weiß, wie aus sowas auch Schlagzeilen gemacht werden. Da bin ich ein gebranntes Kind an der Stelle. Und mir geht es ja darum, den Punkt zu machen…

Lanz unterbricht ihn.

Lanz: Aber Sie wollten sagen, “Natürlich ist es relativ offensichtlich, dass es damals auch Polizei…”

Jetzt unterbricht Kühnert.

Kühnert: Ich wollte das sagen, was ich gesagt habe.

Lanz lacht ihn aus. Kühnert schmunzelt.

Alexander: War der Einsatz verhältnismäßig oder nicht?

Lanz: So!

Kühnert: Das find ich schwierig, zu beurteilen. Weil es…

Lanz…

Lanz: Aber Sie waren doch dabei!?

Kühnert: Naja, Sie wissen, es hat in Hamburg stattgefunden. Hamburg ist eine große Stadt. Und man kann nicht…

Lanz unterbricht wieder.

Lanz: Da wo Sie waren, war da der Einsatz verhältnismäßig?

Kevin: Nein, nein, nein! Es geht um einen anderen Punkt. Wir alle – das kann man sich ja ankucken – haben die Bilder davon gesehen. Und natürlich gab es da auch sehr brutale Einsätze. Die Frage ist jetzt am Ende immer, wenn man sich das dann ankuckt und bewertet, kennt man häufig nicht den Kontext. Wir wissen auch aus den Berichten danach, es war natürlich auch für viele Beamte eine Hochstress-Situation. Die Personalausstattung war sehr niedrig. Es gab Leute, die haben kaum zwischendurch mal und wenn dann auf dem nackten Boden schlafen müssen zwischendurch. Ich finde es manchmal ein bisschen hochnäsig und wohlfeil, dann aus der Außenperspektive zu sagen, “Ich weiß ganz genau, das ist eine indiskutable Polizeitaktik gewesen.” Dass das viel brutaler an vielen Stellen war, auch was die Masse an Einsatz von Pfefferspray und ähnlichen angeht, als ich es, als regelmäßiger Demogänger anderswo erlebt habe, ist eine Offensichtlichkeit. Daraus kann ich aber noch keine…ich bin nicht in der Position, eine Polizeitaktik abschließend zu bewerten. Natürlich hat es Gewaltexzesse noch und nöcher in diesen Tagen in Hamburg gegeben.

Lanz: Auch von Seiten der Polizei?

Kühnert: Erstmal von Seiten marodierender Gruppen, die durch die Stadt gelaufen sind und die ja auch eine Schneise der Verwüstung…ich meine, es ist der mit Abstand kleinste zahlenmäßige Teil der Demonstrierenden gewesen und leider der, auf den sich am Ende alles fokussiert hat. Es gab Angst in der Stadtgesellschaft, weil die Leute gesehen haben, die ziehen hier durch unsere Straßen und es ist keiner da.

Lanz: Aber Sie haben – mir kommt gerade ein Interview-Fetzen irgendwo hoch – Sie haben irgendwo mal gesagt, “da gab’s natürlich Provokationen von der Polizei”.

Kühnert schaut ganz verwundert.

Kühnert: Da müssten Sie mir jetzt sagen, wo Sie den Interview-Fetzen…

Lanz: Ich hatte das ja nur so im Hinterkopf.

Kühnert: Ja…

Lanz: Sie wollten es ja auch gerade andeuten und insofern.

Kühnert: Ja…

Lanz: Wie finden Sie es denn, wie sich ihre Parteivorsitzende dazu regelmäßig äußert? Ich nehm das natürlich sofort zurück, wenn Sie das nicht gesagt haben, aber Frau Esken macht das ja. Sie hat ja im Grunde eine ziemlich seltsame Debatte genau mit ihren Tweets angestoßen. Also: die Linie rassistischer Polizeigewalt in den USA nach Deutschland^, die wurde aber sehr schnell gezogen. Das fand ich irgendwie schwierig.

Na, sie hat die Linie wesentlich differenzierter gezogen, als sie am Ende gemacht wurde. Natürlich müssen alle von uns immer reflektieren, ob wir unsere Punkte so richtig gesetzt haben. Aber in einer demokratisch gesinnten Gesellschaft – wir haben vorhin besprochen was in Russland mit Oppositionellen passiert, ist es ein Wert an sich, dass es freie auch kritische Demonstrationen gibt… Lanz versucht, zu unterbrechen

Kühnert weiter …nein, es ist wichtig, an dieser Stelle auszuholen. Und natürlich ist es absolut Aufgabe von demokratisch gewählten Politikerinnen und Politikern, aufmerksam dafür Sorge zu tragen, dass diese Demonstrationen auf beiden Seiten in einem geordneten Rahmen ablaufen. Und es ist auch keine Majestätsbeleidigung für irgendeine Behörde, wenn es hier und dort hinterfragt wird. Staatsgewalt muss sich immer, das ist ihr immanent, auch rechtfertigen und darlegen, inwieweit sie die festgelegten Standards einhält. Ich glaube, dass das – und das hat Saskia Esken auch nie anders gesagt – bei der übergroßen Zahl derjenigen, die Dienst haben in diesen Sicherheitsbereichen gewährleistet ist. Aber ich muss eben auch – und es ging ja um sowas wie Racial Profiling, was es ja formal, da hat uns ja Herr Seehofer dran erinnert, verboten ist, weshalb er zu dem Schluss kam, deswegen müssen wir das auch nicht erforschen, weil was nicht sein darf, kann ja auch nicht sein. Und natürlich muss ich aber zur Kenntnis nehmen, wenn ich mit Menschen in meinem Freundeskreis spreche, die nicht so kartoffelweiß sind, wie ich das bin, dass die innerhalb eines Monats manchmal so häufig auf der Straße nach ihrem Ausweis gefragt werden, wie mir das in meinem Leben noch nicht passiert ist. Und es ist völlig legitim, das politisch zu thematisieren, ohne eine Schuldzuweisung an eine bestimmte Person vorzunehmen, und zu sagen eine offene egalitäre Gesellschaft muss aushalten, dass ein solchen Umstand geredet wird und wir auch kucken, wie das verbessert werden kann. Das ist nicht anrüchig. 

Lanz zu Alexander: Kurzer Schlusssatz? 

Alexander: Ich finde, da liegt noch viel drin. Weil ich weiß noch, als Olaf Scholz Innenminister in Hamburg war. Das war gar nicht so lange. Nur ein paar Monate. Da stand er für eine betont harte Linie gegen das Hamburger Drogenproblem. Und damals hat ihm die Linke sehr übel genommen, dass er durchgesetzt hat, dass Dealern, die die Ware runterschlucken, dass sie nicht gefunden wird, Brechmittel verabreicht wird, dass sie wieder rauskommt. Und das wär auch etwas. ich weiß nicht, wie Olaf Scholz dazu heute steht. Ich habe nie gehört, dass er sich davon distanziert hat, aber da würde ich, glaube ich, gerne die Meinung von Frau Esken zu hören und wenn ich drüber spreche, eigentlich auch ihre. an Kühnert

Lanz: Ich hab übrigens gerade – Kollegen aus der Regie sagen mir das gerade nochmal – es gab ein Vorgespräch für die Sendung, in dem sie das so thematisiert haben. Und daher hab ich das auch. Das Zitat ist: “Ich hab mich damals maßlos darüber geärgert, dass es keine Polizeigewalt gegeben hätte beim G20-Gipfel.” das ist das Zitat von Ihnen 

Kühnert: Naja. Das ist ja auch korrekt so dargelegt. Die Frage ist jetzt – also ich finde kann ja festhalten, dass natürlich Gewalt ausgeübt wurde. Es gibt ein Gewaltmonopol seitens des Staates in unserer Gesellschaft. Die interessante politische Frage ist ja dann am Ende, und da hätten mich dann die Argumente interessiert, gerade von jemandem, der politisch VErantwortung hat an führender Stelle, ob man das als dann gerechtfertigt erachtet, aus bestimmten Lageberichten usw, wie sie sich darstellen. Die kann ich nicht einsehen, die hatten wir alle damals nicht vorliegen. Das wäre der spannende Teil der Debatte, ähm, gewesen. Nun ist es einige Jahre her und die Zeit ist ein bisschen drüber hinweg gegangen.


Aus (Neutralitäts)gründen: nicht neutral

Posted: August 17th, 2020 | Author: | Filed under: Polizei und Medien | No Comments »

Wenn Polizei sich mit massiven Vorwürfen konfrontiert sieht, die sich nicht ohne Weiteres erklären lassen, werden Ermittlungen angestellt. Diese Ermittlungen werden z. B. bei Todesopfern bei Polizeimaßnahmen von einem benachbarten Polizeipräsidium durchgeführt. In Pressemitteilungen der Polizei wird dann die Formulierung aus Neutralitätsgründen verwendet. Dabei hat es mit Neutralität gar nichts zu tun, wenn Polizist*innen gegen Polizist*innen ermitteln. Eher das Gegenteil. Trotzdem schafft es die Phrase immer wieder ohne Einordnung in eine Mehrzahl von Presseberichten zu diesen Fällen.

Zuletzt ist mir die Formulierung in einer Pressemitteilung der Polizei Düsseldorf begegnet. Eine kurze Stichprobe ergab, dass 9 von 10 online dazu veröffentlichten Artikeln, die Formulierung ohne Einordnung übernehmen.

„Aus Neutralitätsgründen“ ist eine interessante Formulierung. Nicht alles was aus Gründen der Neutralität geschieht, ist automatisch neutral. Wahrscheinlich das wenigste.

Ermittlungen an ein benachbartes Polizei-Revier abzugeben, ist wohl so ziemlich das Gegenteil von Neutralität. Selbst wenn das Präsidium in München in Flensburg ermittelte, wäre Neutralität keinesfalls gegeben.

Bitte verwendet diese Phrase nicht! Sie ist Teil des Narrativs, dass effektive Kontrolle von Polizei verhindert und so Menschen systematisch in Gefahr bringt und Konsequenzen für Cops verhindert.

 

 

 


Jetzt wird’s schmerzhaft: was die Petition für eine Studie zu Racial Profiling tatsächlich bringt

Posted: August 16th, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik, Racial Profiling | Tags: , , , , | No Comments »

„Mit der Petition wird die Durchführung einer Studie zum „Racial Profiling“ bei den Polizeibehörden des Bundes und der Bundesländer gefordert.“ Fordern kann 1 viel. Die Petitionsplattform des Bundestages ist genau dafür gemacht: Forderungen. Diese können hier vorgestellt und bis zur willkürlichen Marke von 50.000 Unterstützer*innen hoch und in den Bundestag gevotet werden.

Der Clou: die Forderungen beinhalten keinerlei Verpflichtungen für das hohe Haus. Und so wird das Ergebnis der erfolgreichen Petition keinesfalls die Einführung bundesweiter Studien in allen 19 Polizeibehörden sein. Kein Schritt zu mehr Transparenz für Polizeien, sondern besonders für Betroffene wird es ein sehr schmerzhafter Moment werden.

CDU und SPD werden die Initiative platzen lassen

Die Euphorie über den Erfolg der Petition ist trügerisch. Damit auf eine erfolgreiche Petition auch eine legislative Umsetzung folgt, braucht es – sofern die Petition nicht vorher aufgehalten wird – eine Mehrheit im Bundestag. Das Erreichen des Quorums bedeutet lediglich, dass das Parlament sich mit der Forderung der Petition „befassen“ muss. Und damit dürfte der Erfolg im Bundestag bescheiden ausfallen: für einen Erfolg braucht es Stimmen der Groko aus SPD und CDU. Und da die Rassismus-Studie im Dunstkreis der Polizei-Lobby als Angriff auf die Polizei verstanden wird, wird genau hingeschaut werden, wer die Initiative unterstützt.

Der Bundesinnenminister (CSU) hat den Vorschlag bereits im Juli nicht nur platzen lassen. Seehofer hat dazu – quasi in typischer Polizei-Manier – aus der „Anzeige“ eine „Gegenanzeige“ gemacht und eine Studie zu Gewalt auf Polizist*innen in Erwägung gezogen. Wenn nichts wirklich Ungewöhnliches passiert, dürften die Unionsparteien klar und geschlossen gegen die Studie stimmen. 

Für die SPD wird der Umgang mit der Petition wesentlich schwieriger: Eigentlich wäre deren Inhalt ideal dazu geeignet, an RRG zu schmieden und das Potential einer „linken Koalition“ sichtbar werden zu lassen. Doch die Position der SPD zur Polizei in letzter Zeit lässt die Hoffnung schwinden, dass die Fraktion das Anliegen tragen wird. Saskia Eskens zaghafte Versuche, mehr Kontrolle für Polizei zu fordern (z. B. nach Silvester in Leipzig) wurden nicht zuletzt durch ihr eigenes Zaudern nach Kritik torpediert. Der Besuch einer Polizei-Kaserne dürfte die Kapitulation vor den Reaktionären ihrer Partei darstellen.

Struktureller Rassismus bei der Polizei in der SPD ein Tabu

Wer beim Kampf gegen strukturellen Rassismus die Polizei ins Visier nimmt, wird in der SPD für dumm erklärt. Das Problem wird in Scholz-G20-Manier weggeredet. An ihrer Chefin statuierte die SPD ein Exempel: „Wer die Polizei kritisiert, wird demontiert.“ Das wirkt. Als die Petition in den letzten Tagen auf Twitter gepusht wurde, klinkte sich die SPD-Fraktion komplett aus.

So wird die Initiative bei den kleinen Oppositionsparteien liegen. Das ist beschämend, denn so bleibt es maximal bei einem symbolischen Zeichen, wenn die Petition im Bundestag durchfällt. Bitter für Betroffene, aber vielleicht ein wichtiges Signal für alle Wähler*innen.


Polizeigewerkschaft GdP hält taz-Kolumne für Volksverhetzung

Posted: Juni 16th, 2020 | Author: | Filed under: Polizei kriminalisiert | No Comments »

Volksverhetzung kann sich „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung“ richten. Das auf Polizist*innen zu beziehen, ist aberwitzig. Trotzdem wird dieser Vorwurf immer wieder von Polizei geäußert.

Manche erinnern sich vielleicht an den Polizeirassismus der Polizei Sachsen. Der Tweet ist so immer noch online, in dem die Polizei behauptet, es gebe Rassismus GEGEN die Polizei. Täter-Opfer-Umkehr at its best könnte eins sagen.

Geschichtlich betrachtet ist der durch die GdP zur Anzeige gebrachte Vorwurf umso absurder, ist die heutige Gesetzgebung doch ein Kind der Nachkriegszeit und den furchtbaren Verbrechen, die unter Mithilfe der Polizei begangen wurden. In Anbetracht der geschichtlichen Verpflichtung des ‚Nie wieder‘, würde ich soweit gehen, der GdP eine bewusste NS-Relativierung zu unterstellen, aber darüber lässt sich wohl streiten.

Dich es gibt auch noch einen dritten guten Grund, weshalb diese Anzeige nichts weiter als eine Blendgranate ist, die Journalist*innen einschüchtern soll: die Polizei stellt die Staatsgewalt dar. Sie kann aus ihrer Machtposition gegen Menschen hetzen, umgekehrt geht das nicht. 

Leider scheint diese Art und Weise, aussichtslose gerichtliche Verfahren anzustrengen, Teil einer neuen Polizeistrategie zu sein. Vielleicht erinnert ihr euch an die Polizei Essen, die gegen einen Menschen des Bündnis Essen stellt sich quer

wg. Beleidigung klagte.

Es wird spannend zu sehen, wie diese Gerichtsverfahren ausgehen werden. Das Rechts- und Geschichtsverständnis, welches sich darin zeigt, ist erschreckend. Auch vergleicht die GdP die Journalistin mit Nazis. DAS wäre wohl tatsächlich eine Beleidigung.

Um diese Kolumne (!!!) geht es btw. Ihr solltet alle @habibitus auf Twitter folgen. Wenn die GdP eine von uns anzeigt und einschüchtern möchte, geht es eigentlich gegen uns alle. Liebe übrigens ALL COPS ARE ARBEITSUNFÄHIG DANKE für diese Kolumne!

Der Text ist so ähnlich bereits auf Twitter erschienen.