Wir müssen über Copaganda in der Berichterstattung über Cops und „Verbrechen“ reden.
Hier ein paar Hinweise dazu:
1. Mache nicht die Pressearbeit für die Polizei.
Wiederhole keine Polizeierzählungen ungeprüft. Wir wissen aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass Cops nicht die Wahrheit sagen, insbesondere wenn es um durch sie begangene Gewalttaten geht.
Warte, bis du herausgefunden hast, was tatsächlich passiert ist und veröffentliche einen recherchierten Bericht, statt die Pressemitteilung der Polizei abzuschreiben. Solange kann jede Geschichte warten
2. Verwende keine passive Sprache, um Polizeigewalt zu beschreiben.
„im Verlauf reanimationspflichtig geworden“ ist eine Konstruktion, die jede Implikation Schuld beseitigt bzw. umkehrt. Achte darauf, wer in deinen Stories über Gewalt aktiv und namentlich genannt wird.
3. Polizeistatistiken zum Thema „Kriminalität“ immer hinterfragen.
Verbrechen ist nicht gleich Gewalt und Schaden, und nicht jeder Schaden und jede Gewalt ist Verbrechen. Kriminalstatistiken über- und unterschätzen Gewalt und Schaden. Hier ein Beispiel: https://twitter.com/wilke_tobias/status/1389543709147082755
Die meisten Gewaltverbrechen werden der Polizei nicht gemeldet, die meisten Dinge, die als von Polizei Verbrechen bezeichnet werden, beinhalten weder Gewalt oder Schaden, viele Dinge, die gewalttätig und schädlich sind, gelten nicht als Verbrechen.
Und die meisten Kriminalstatistiken beinhalten keine Gewalt durch die Polizei. Als eine Form von Copaganda, verschmilzt die Polizei mehrere Dinge, um eine Erzählung von „Verbrechen außer Kontrolle“ zu konstruieren.
Tötungsdelikte, Eigentumsdelikte, Vergehen gegen die öffentliche Ordnung… Polizei legt den Fokus häufig auf die zunehmenden Kategorien von „Kriminalität“ und nicht auf die, die abnehmen.
Darüber hinaus werden Kriminalstatistiken durch die Polizei erstellt und beeinflusst – indem sich auf bestimmte Bereiche und Straftaten in der Polizeiarbeit konzentriert wird.
4. Beteilige dich nicht an der Angstmacherei.
Viel Berichterstattung in den Medien verstärkt die Angst vor zwischenmenschlicher Gewalt und erweckt den Eindruck, dass die Gewalt jedes Jahr zunimmt. (Dabei sind die meisten von der Polizei gemeldeten Gewaltverbrechen aktuell auf einem 20-Jahres-Tief.)
Während der Schmerz und die Angst, den einzelne Opfer empfinden, real sind, wird die Erzählung von zunehmender Bedrohung durch Kriminalität von Polizei zur Rechtfertigung für die Ausweitung von Polizeibefugnissen missbraucht.
Achte darauf, Auflistungen von Verbrechenszahlen und von Polizeibudgets und -befugnissen möglichst nicht in einen Artikel zu packen.
Besonders prägnante Kriminalitätszahlen werden von Polizei oder Innenministerien oft präsentiert, um mehr Polizei zu rechtfertigen (selbst wenn sie fallend sind und mehr Polizei nachweislich nicht hilft).
5. Achte auf kriminalisierende Sprache wie „sicher/unsicher“, „gewaltbereit“ oder „illegal“.
Polizei konzentriert sich auf bestimmte Gebiete und meldet folglich dort eine „höhere Kriminalität“ und so ganz gezielt ganze Stadtteile oÄ kriminalisiert.
So werden bürgerliche Klischees über „sichere“ versus „unsichere“ Stadtteile verfestigt und idR einkommensschwache, migrantisierte als „unsicher“ oder „kriminalitätsbelastet“ stigmatisiert.
Hier ein Beispiel aus Berlin:
Gleiches gilt für entmenschlichende, vorverurteilende Polizeiterminologie, wie z. B. die Bezugnahme auf Personen als „Kriminelle“, „Randalierer“ oder „Täter“ und andere Wörter die Menschen nach dem ihnen vorgeworfenen „Verbrechen“ definieren und so kriminalisieren.
6. Sei skeptisch gegenüber polizeilichen „Lösungen“ für Gewalt.
Die Polizei wird häufig weitere Investitionen in Polizei und/oder Überwachung als Lösungen für Gewalt vorlegen, unabhängig davon, ob sie funktionieren oder nicht.
Aber auch die Lösungen der Polizei für ihre eigene Gewalt sind verdächtig: Bodycams verstärken beispielsweise die Überwachung ohne den Schaden durch Polizeibrutalität zu verringern. Oder Taser. Sind teuer und potenziell tödlich.
Deeskalationstraining verhindert keine Toten durch die Polizei, weil dadurch die Abläufe, die immer wieder zur tödlichen Eskalation führen, nicht verändert werden. Hinterfrage diese Initiativen und sei skeptisch.
Oft sind Investitionen in Polizei teure Alternativen zu dem, was tatsächlich funktioniert: in Bildung zu investieren, Armut beenden, kriminalisierende, klassistische, rassistische Gesetze beseitigen.
7. Respektiere Namen, Pronomen und Bitte um Anonymität
Polizisten geben Namen und Pronomen von trans Menschen und gender non-conforming Menschen oft falsch an.
Ob Opfer oder Täter, niemand sollte mit falschem Namen, falschem Geschlecht oder Respektlosigkeit beschimpft werden. Recherchiere gründlich, um das sicherzustellen und respektiere Bitten nach Anonymität.
Am Montag wollte der Hamburger Polizeipräsident im NDR meiner Recherche für @DIEZEIT widersprechen. Stattdessen unterliefen ihm einige "sprachliche Ungenauigkeiten". Oder einfach: Er sagte im Fernsehen schlichtweg falsche Dinge. Mehr Irritierendes meiner Recherche. 1/12
In einem Interview mit der Funke-Medien-Gruppe hat der Essener Polizei-Chef Antworten zu strukturellem Rassismus bei der Polizei, Racial Profiling in Essen und den Motiven für eine Anzeige gegen die Polizei. Mehr im Twitter-Thread…
https://t.co/Jqmsu6fuwb Interviewt sich die Polizei Essen selbst, bleiben kritische Fragen unbeantwortet. #Rassismus gibt es natürlich nicht, alles nur Einzelfälle. Peinlich und tendenziös! Selbstkritik? Fehlanzeige!@Korallenherz@EssenQuer
Weiterhin interessant: in der Polizeimeldung ist davon die Rede, dass ein Kranz beschädigt wurde. Ein völlig willkürliches Detail, wenn 1 den Rest des Absatzes liest. Damit ist der AfD-Kranz gemeint.
Auch dazu gibt es ein Video.
Die #NoAfD skandalisiert die vermeintliche Beschädigung ihres Kranzes. Was sie verschweigt und ausgeschnitten hat: #AfD-Lindemann provozierte zuvor, als er einen antifaschistischen Kranz wegstieß. Zu sehen ist die vorangegangene Szene im Video.#b2501#mahe#Marzahnpic.twitter.com/sO2fUsVZCS
Beim Kripoball der Polizei Freiburg hat es einen Fall von Rassismus gegeben. Auf dem Instagram-Kanal des des Kripoball sind offenbar Teilnehmer der Veranstaltung zu sehen, deren Kostümierung Blackfacingbeinhaltet. So weit so ungewöhnlich für eine Kanevalsveranstaltung in Deutschland (traurigerweise – wir haben 2019). Die Art und Weise, wie sich die Polizei Freiburg beim Wegschieben von Verantwortung um Kopf und Kragen twittert ist bemerkenswert.
CW racism
die kiminalpolizei freiburg veranstaltet jedes jahr einen fasnachtsball. vorsitzender des kommitees ist der leiter der kripo freiburg. mir fehlen die worte pic.twitter.com/Gur5aOuNTa
Zuerst erklärte sich die Polizei nicht verantwortlich für die Gäste der Veranstaltung, das seien ja keine Polizist*innen.
Der sogenannte "Kripoball" ist für die breite Öffentlichkeit zugänglich. Der überwiegende Anteil der Gäste sind keine Polizisten. Die abgebildeten Personen sind sehr wahrscheinlich, sofern erkennbar, KEINE Polizeibeamten. Vorwürfe von Rassismus weisen wir entschieden zurück.
Dann sei ja auch nicht die Polizei Freiburg Veranstalter, sondern der Verein Kripoball e.V., aber man kümmere sich trotzdem – oder so ähnlich.
Veranstalter des Kripoballs ist nicht das Polizeipräsidium Freiburg, sondern ein privatrechtlicher Verein namens Kripoball e.V. Dieser betreut auch den Instagram-Kanal. Wir sind gerade dabei die Person zu erreichen, damit das Bild nicht weiter veröffentlicht bleibt.
Daraufhin schrieb die Polizei über ihren Twitter-Kanal weiter, sie verstehe nicht worauf lena hinaus wolle. Ob der Leiter der Kriminalpolizei nicht Mitglied in einem privatrechtlichen Verein sein und einen Kostümball organisieren dürfe? Es sei deswegen noch lange nicht eine Veranstaltung der Polizei.
Das darf er natürlich. Aber vielleicht sollte er keine rassistischen Traditionen auf seinen Veranstaltungen dulden. So kann man sich auch nicht drauf verlassen, dass euer Kollege, bzw seine Behörde im Fall von rassistisch motivierten Übergriffen richtig ermittelt oder gegen rassistische Ausfälle unter seinen Kolleg*innen entsprechend ahndet.
Dann der nächste Knaller:
Der Betreiber der Online-Auftritte des Kripoball e.V. ist Angehöriger der Kripo Freiburg. Er benutzt lediglich die dienstliche Postanschrift für das Impressum.
Halten wir also fest: Der Kripoball e.V. ist als Verein eingetragen, die Polizei hat damit laut eigener Aussage nichts zu tun. Der Vorsitzende des Kripoball-Vereinskomitees ist der Leiter der KriPo Freiburg. Die Adresse im Impressum des Kripoball ist die Adresse der Polizei. https://t.co/vO3IXFT1mJ
Bleibt noch das Statement, dass der Kripoball e.V. dann am Nachmittag nach Stunden des Lamentierens veröffentlicht. Eine aufrichtige Entschuldigung ist doch irgendwie etwas anderes.
An dieser Stelle sollte eigentlich eine Chronologie der Ereignisse zur Silvesternacht in Connewitz geplant. Dieser hat sich nun erübrigt, nachdem die Polizei Leipzig selbst per Salamitaktik ihre ursprüngliche Meldung, die einen Mordversuch an einem Polizisten nahelegte, relativiert. Was genau in der Nacht geschah, ließ sich zunächst schwer nachvollziehen. Viele Redaktionen übernahmen die Version der Polizei unüberprüft, obwohl anhand von Tweets zu #le3112 und #le0101 die Ereignisse sich bereits anders rekonstruieren ließen.
Das Polizei sich politisch einmischt, ist kein Einzelfall. Polizei war schon immer politisch und so war die Silvesternacht in Leipzig nicht das erste Mal und wird auch nicht das letzte Mal sein, dass über Pressemeldungen und Social-Media-Kanäle von Polizeibehörden die Unwahrheit verbreitet wird.
Nach der Silvesternacht im Leipziger Stadtteil Connewitz schaukeln Staatsanwaltschaft und Politiker in den Beschreibungen der Nacht nach den Meldungen der Polizei immer weiter hoch, doch am Ende zerbröseln die Vorwürfe und die Polizei rudert zurück.
Vor den angekündigten gemeinsamen Protesten von Ende Gelände und verschiedenen Fridays For Future-Gruppen schickt die Polizei Aachen einen Brief an Schulen in Nordrhein-Westfalen. Darin sind verschiedene Aussagen enthalten, die sich als falsch herausstellen.
An Pfingsten 2018 erfand sie einen politisch motivierten gefährlichen Angriff einer Menschenmenge auf das Haus eines Polizisten im niedersächsischen Hitzacker, und Medien bis nach Bayern gaben den Fall ohne eigene Recherche so wieder.
2017
Während des G20-Gipfels in Hamburg gab es einige fragwürdige Meldungen der Polizei Hamburg, die im folgenden Artikel aufgelistet sind:
Ebenfalls 2017 verbreitet die Polizei während der Räumung des Friedel per Tweet der Verdacht, der Türknauf einer Außentür sei mit einer tödlichen elektrischen Spannung versehen.
Im Februar 2016 wurden Berliner Polizisten bei einer Demonstration „vermutlich mit chemisch behandeltem Konfetti beworfen“, mutmaßte die B.Z. Berlin, weil sich Polizeiuniformen nach der Berührung mit dem Konfetti etwas verfärbt haben sollen. Zwei Wochen später gab dieselbe Zeitung Entwarnung: Am Konfetti waren keine Chemikalien festgestellt worden. Gelitten hatte darunter sowieso niemand.
2015
Um eine angeblich „mit Benzin gefüllte Flasche“ ging es auch beim G7-Gipfel in Elmau im Jahr 2015. Hier behauptete die Polizei auf Twitter, dass sie mit einer solchen Flasche beworfen worden sei, und rechtfertigte damit einen Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken gegen Demonstranten. Im Nachhinein zog sie die Aussage mit der Benzin gefüllten Flasche zurück. Beim gleichen Gipfel stellte die Bundespolizei durch die Verwendung eines Hashtags Dinge in Zusammenhang, bei denen es nicht unbedingt ein Zusammenhang besteht. Die falsche Kontextualisierung ist eine Methode von Fake-News. Sie kann einen Protest gefährlicher aussehen lassen, als er wirklich ist: „Erfolgreiche Grenzkontrollen an der A 93 – diese verbotenen Waffen haben wir heute beschlagnahmt #G7 #G7Summit“
2014
Als die Hamburger Polizei 2014 ein Gefahrengebiet ausrief, in dem sie besondere Befugnisse hat, diente unter anderem ein erfundener Angriff von 30 bis 40 Menschen auf eine Polizeiwache als Rechtfertigung.