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Über Polizeieinsätze berichten, ohne Copaganda zu machen

Posted: Oktober 29th, 2022 | Author: | Filed under: Copaganda, Entmachten, Polizei lügt, Polizei und Medien | No Comments »

Wir müssen über Copaganda in der Berichterstattung über Cops und „Verbrechen“ reden.

Hier ein paar Hinweise dazu:
 

1. Mache nicht die Pressearbeit für die Polizei.

cat drinking from tabWiederhole keine Polizeierzählungen ungeprüft. Wir wissen aus jahrzehntelanger Erfahrung, dass Cops nicht die Wahrheit sagen, insbesondere wenn es um durch sie begangene Gewalttaten geht.
 
Warte, bis du herausgefunden hast, was tatsächlich passiert ist und veröffentliche einen recherchierten Bericht, statt die Pressemitteilung der Polizei abzuschreiben. Solange kann jede Geschichte warten
 

2. Verwende keine passive Sprache, um Polizeigewalt zu beschreiben.

„im Verlauf reanimationspflichtig geworden“ ist eine Konstruktion, die jede Implikation Schuld beseitigt bzw. umkehrt. Achte darauf, wer in deinen Stories über Gewalt aktiv und namentlich genannt wird.
Dann habe er Widerstand gegen die Einsatzkräfte geleistet – und sei im Verlauf „reanimationspflichtig geworden“.

3. Polizeistatistiken zum Thema „Kriminalität“ immer hinterfragen.

Verbrechen ist nicht gleich Gewalt und Schaden, und nicht jeder Schaden und jede Gewalt ist Verbrechen. Kriminalstatistiken über- und unterschätzen Gewalt und Schaden. Hier ein Beispiel: https://twitter.com/wilke_tobias/status/1389543709147082755
 
Die meisten Gewaltverbrechen werden der Polizei nicht gemeldet, die meisten Dinge, die als von Polizei Verbrechen bezeichnet werden, beinhalten weder Gewalt oder Schaden, viele Dinge, die gewalttätig und schädlich sind, gelten nicht als Verbrechen.
 
Und die meisten Kriminalstatistiken beinhalten keine Gewalt durch die Polizei. Als eine Form von Copaganda, verschmilzt die Polizei mehrere Dinge, um eine Erzählung von „Verbrechen außer Kontrolle“ zu konstruieren.
 
Tötungsdelikte, Eigentumsdelikte, Vergehen gegen die öffentliche Ordnung… Polizei legt den Fokus häufig auf die zunehmenden Kategorien von „Kriminalität“ und nicht auf die, die abnehmen.
 
Darüber hinaus werden Kriminalstatistiken durch die Polizei erstellt und beeinflusst – indem sich auf bestimmte Bereiche und Straftaten in der Polizeiarbeit konzentriert wird.
 

4. Beteilige dich nicht an der Angstmacherei.

Viel Berichterstattung in den Medien verstärkt die Angst vor zwischenmenschlicher Gewalt und erweckt den Eindruck, dass die Gewalt jedes Jahr zunimmt. (Dabei sind die meisten von der Polizei gemeldeten Gewaltverbrechen aktuell auf einem 20-Jahres-Tief.) 
 
Während der Schmerz und die Angst, den einzelne Opfer empfinden, real sind, wird die Erzählung von zunehmender Bedrohung durch Kriminalität von Polizei zur Rechtfertigung für die Ausweitung von Polizeibefugnissen missbraucht.
 
Achte darauf, Auflistungen von Verbrechenszahlen und von Polizeibudgets und -befugnissen möglichst nicht in einen Artikel zu packen.
 
Besonders prägnante Kriminalitätszahlen werden von Polizei oder Innenministerien oft präsentiert, um mehr Polizei zu rechtfertigen (selbst wenn sie fallend sind und mehr Polizei nachweislich nicht hilft).
 

5. Achte auf kriminalisierende Sprache wie „sicher/unsicher“, „gewaltbereit“ oder „illegal“.

Polizei konzentriert sich auf bestimmte Gebiete und meldet folglich dort eine „höhere Kriminalität“ und so ganz gezielt ganze Stadtteile oÄ kriminalisiert. 
 
Beispiel: Wie Reul versuchte, den Hambi mit Streifenfahrten zu kriminalisieren
 
So werden bürgerliche Klischees über „sichere“ versus „unsichere“ Stadtteile verfestigt und idR einkommensschwache, migrantisierte als „unsicher“ oder „kriminalitätsbelastet“ stigmatisiert.
 
Hier ein Beispiel aus Berlin:
Polizei Berlin Kriminalität belastete Orte Übersicht Website
Gleiches gilt für entmenschlichende, vorverurteilende Polizeiterminologie, wie z. B. die Bezugnahme auf Personen als „Kriminelle“, „Randalierer“ oder „Täter“ und andere Wörter die Menschen nach dem ihnen vorgeworfenen „Verbrechen“ definieren und so kriminalisieren.
 

6. Sei skeptisch gegenüber polizeilichen „Lösungen“ für Gewalt.

Die Polizei wird häufig weitere Investitionen in Polizei und/oder Überwachung als Lösungen für Gewalt vorlegen, unabhängig davon, ob sie funktionieren oder nicht.
 
Aber auch die Lösungen der Polizei für ihre eigene Gewalt sind verdächtig: Bodycams verstärken beispielsweise die Überwachung ohne den Schaden durch Polizeibrutalität zu verringern. Oder Taser. Sind teuer und potenziell tödlich.
 
Deeskalationstraining verhindert keine Toten durch die Polizei, weil dadurch die Abläufe, die immer wieder zur tödlichen Eskalation führen, nicht verändert werden. Hinterfrage diese Initiativen und sei skeptisch.
 
Oft sind Investitionen in Polizei teure Alternativen zu dem, was tatsächlich funktioniert: in Bildung zu investieren, Armut beenden, kriminalisierende, klassistische, rassistische Gesetze beseitigen.
 

7. Respektiere Namen, Pronomen und Bitte um Anonymität

Polizisten geben Namen und Pronomen von trans Menschen und gender non-conforming Menschen oft falsch an. 
Ob Opfer oder Täter, niemand sollte mit falschem Namen, falschem Geschlecht oder Respektlosigkeit beschimpft werden. Recherchiere gründlich, um das sicherzustellen und respektiere Bitten nach Anonymität.
 
Aus dem Englischen: bit.ly/nocopaganda
Wenn du Journalist_in bist und zu diesem Thema einen Workshop machen möchtest, melde dich gerne.

Copagandaministerium

Posted: Juni 3rd, 2021 | Author: | Filed under: Copaganda | No Comments »

Disclaimer: ich bin als weißes, männliches Wesen sozialisiert und verstehe mich als Bevorteilter der aktuellen Machtzustände, die durch die Polizei verteidigt werden.

Ich möchte eure – vor allem andere – Perspektiven dazu hören/lesen. DMs immer offen. 

SPOILER: ein Copagandaministerium gibt es nicht wirklich. In diesem Text soll es auch nicht um Verschwörungstheorie gehen, sondern darum, wie sich Polizei positive Erzählungen und Sozialisierung reproduzieren und wie dies abolitionistischen Ansätzen im Weg steht. Image

Was ist Copaganda? Das Wort ist die Kombination von Cop und Propaganda und beschreibt das Phänomen der verherrlichenden Darstellung von Polizist_innen in Nachrichten, Medien insgesamt und anderer Form. Der Begriff ist zwar neu, Copaganda hat es aber schon immer gegeben.

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Warum ist Copaganda problematisch? Naja, um staatliche Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung zu überwinden, müssen wir lernen, als Gesellschaft und Communities mit Gewalt umzugehen. Copaganda vermittelt gerade das Gegenteil.

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Schon im Kindesalter lernte ich: wenn du Gewalt siehst, halt dich raus, ruf die Polizei. So ergeht es vielen Menschen. Nicht der Umgang mit Gewalt wird gelernt, sondern Gewalt als individuelles Problem zu sehen, nicht als etwas was alle (in einer Gemeinschaft) angeht. 

So wird nicht harmonisches Miteinander vermittelt, sondern gewaltvolle Machtverhältnisse. Außerdem enthält Copaganda gleichzeitig „Strafsozialisation“ und mit dem Konzept der Polizei wird immer wieder das Konzept einer strafenden Autorität vermittelt.

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Dieses Konzept begegnet Kindern durchaus nicht nur inhaltlich, was das Spielzeug angeht, sondern auch in Erziehungsmethodik. Beispiel: Hausarrest und andere Strafen, die das Problem individualisieren und als „Strafe“ ein Schuldgefühl bei Kindern erzeugen sollen.

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Es gibt Riot Cops von Playmobil, Spielzeug zu den verschiedensten Polizeieinheiten aus dem realen Leben und die unterschiedlichsten Kinderbuchtitel mit Polizeigeschichten. So wird das Konzept Polizei in der Gesellschaft von Anfang an zu etwas ganz normalen und guten.

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CN Rassismus
Eins der bekanntesten und ältesten Kinderlieder ist eine Normalisierung von #RacialProfiling.

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Und das geht dann später im Leben so weiter.
Der ARD-Tatort ist das beliebteste Erzählformat im deutschen Fernsehen – seit Jahren. Nach Nachrichten sind Krimis auf Platz zwei des nachgefragtesten Formats im Fernsehen.

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Dazu kommt Social Media: Bundesweit betreiben Polizeibehörden unzählige Profile auf Twitter, Facebook, Instagram, Youtube, Snapchat…

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Dadurch wird durch den medialen Mainstream ein bestimmtes Bild von Polizei gezeichnet. Infragestellen und Gerichtsbarkeit wird so erschwert, aber auch das Entstehen von gesellschaftlichen Alternativen zu staatlicher Gewalt.
Noch ein paar weitere Beispiele aus der Geschichte (Weimarer Republik)

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Kontinuitäten…

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Drei Take-Aways, die mir wichtig sind, dass wir sie nicht nur unseren Kindern immer wieder sagen:
1. Polizei ist kein Job wie jeder andere
2. Es gab nicht immer schon Cops
3. Gewaltvolle und strafende Autoritäten haben einen Preis
Und passt auf euch auf – denn:

„Irgendjemand muss einfach verhaftet werden in einer Geschichte, in der die Polizei vorkommt.“
-Benjamin Blümchen

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Falls ihr Hinweise oder Korrekturen hab, freue ich mich sehr. Auch an Copaganda im Kaiserreich und der frühen BRD wäre ich sehr interessiert.


Weiße cis Weiblichkeit, Rechtsstaat und Rache

Posted: Mai 23rd, 2021 | Author: | Filed under: Copaganda, Polizei und Medien | Tags: , | No Comments »

Überlegungen zur Netflix-Serie Marcella                                 

Copaganda ist überall in den Medien. Unter Kartoffeln ist vermutlich der sonntägliche Tatort am bekanntesten, aber auch Streaming-Firmen wie Netflix lassen das Konzept der „Krimi-Serie mit Polizei-Protagonist_in“ einfach nicht los. 

Seit 2017 wird in britischer Produktion Marcella veröffentlicht. Obwohl es bereits sicherlich alle Good Cop, Bad Cop Kombis, alle verbeamteten Anti-Helden und noch mehr von-der-schiefen-Bahn-zum-Bullen Stories gab, sticht Marcella besonders unangenehm heraus.

Marcella – eine weiße cis Frau um die 40, braune Haare, trägt jede Folge eine andere Kombi aus Karo-Hemden unter Pullovern. Marcella traumatisiert, terrorisiert, verprügelt und schrammt nur haarscharf daran vorbei, jemanden zu ermorden. 

Sie arbeitet für die Londoner Kriminalpolizei und ermittelt in der ersten Staffel nach einem Serienmörder, der besonders viele Femizide auf dem Gewissen hat. Auch privat hat Marcella ziemlich Stress: Ihr Mann will sich von ihr trennen, ihre Kinder finden sie eher scheiße und außerdem hat sie mit dissoziativen Episoden zu tun (in der ersten Staffel der Serie wird das nicht weiter pathologisiert oder benannt, aber ich denke die Beschreibung passt am ehesten.)

Sie hat außerdem enorme Wutausbrüche, die in ihre Aussetzer übergehen, und die oft so eskalieren, dass sie schon mal ihren Ex verprügelt und die Treppe runterwirft und mehrfach unsicher ist, ob sie währenddessen nicht vielleicht jemanden getötet hat. 

Aber sie ist halt nur 1,65m groß, was kann da schon passieren – so der Tonus der Serie. Sie erzählt natürlich niemandem was davon und auch ihr Ex zieht keine Konsequenzen (außer kurz sauer sein am Telefon). Natürlich kann das was damit zu tun haben, dass er mindestens 1,5 Köpfe größer ist als sie, Schwarz, cis männlich – und sie halt weiß und bei den Bullen – aber die Serie entscheidet sich dagegen, dieses Machtgefälle oder den Fakt, dass extrem viele Cops in Beziehungen gewalttätig sind, weiter aufzugreifen. Ist ja nix passiert und ein paar Folgen später lässt er sich eh von ein paar Typen verkloppen, um „mal wieder was zu fühlen“. 

Verharmlosung alá: Vielleicht war‘s genau das, was er mal gebraucht hat. 

Rassismus alá: Schwarzen Männern kann man eh kaum wehtun, sie empfinden Schmerz anders und sind unkaputtbar. 

Ihre Brutalität passt natürlich gut zu ihren Job. 

Den größten Teil der ersten Staffel sitzt ein junger Mann, in U-Haft, Yann, der verdächtigt wird besagter Serienmörder zu sein. 

Die Einschüchterungen und Schikane gehen schon bei der Verhaftung los: Yann wird abgeholt, ist sichtbar panisch und bekommt auf keine seiner Fragen eine Antwort. 

Während seinem Verhör ist kein_e Anwält_in anwesend, Marcella benutzt alle Mittel der Manipulation um Yann zu verunsichern und einzuschüchtern. Alles in Suggestiv-Fragen: wir haben längst ein Bild von dir, was sich so schnell nicht mehr ändern wird, und die Wahrheit oder Yanns Rechte als Tatverdächtiger stören gerade nur. 

Klar, zu einer guten Copaganda gehören Bullen, die ihren Job nicht hassen, sondern aus Überzeugung gegen „das Böse“ kämpfen. Weil staatliche Gewalt für viele mehr so ein Konzept ist, muss man, wenn man Polizist_innen als Individuen positiv darstellen will, ihnen besonders noble oder zugängliche Charaktereigenschaften geben. Zum Beispiel Leidenschaft. Marcella missbraucht nicht ihre Macht als Polizistin, nein, sie ist ein SO leidenschaftlich pro Rechtsstaat und anti Mord, dass es einfach mit ihr durchgeht. Kann doch jeder_m mal passieren. Außerdem ist sie ja auch eine Frau, da kann das auch als anti-patriarchales Zurückschlagen gesehen werden – oder nicht? Wer hat‘s schon mehr verdient als ein buchstäblicher Frauenmörder.

In der U-Haft geht es dann so richtig los: Marcella steht (augenscheinlich) stundenlang vor Yanns Zelle, starrt ihn unentwegt an und löst so schließlich eine Panikattacke bei ihm aus. Yann bricht zusammen, schreit und klingelt schließlich nach Hilfe – die Marcella natürlich nicht leistet – bis zwei andere Beamte angerannt kommen.

Die Szene ist damit zu Ende, dass Marcella mit undeutbarem Gesichtsausdruck vor der Tür der Zelle steht und seelenruhig zu sieht, wie vor ihr Yann in Todesangst mit ihren Kollegen ringt. 

Niemand kommt je darauf zurück, was sie da eigentlich gemacht hat.

Ein paar Folgen später ändert sich der Hauptverdächtige, wodurch Yann entlastet wird – und wie auch sonst in allen Krimis wird die Polizeigewalt gegen ihn natürlich nicht noch mal aufgegriffen und schon gar nicht kritisch beleuchtet. Yann verschwindet aus der Serie und ward nie wieder gesehen. Wie auch – Yann ist jetzt ein Kollateralschaden, eine Nebenwirkung des staatlichen Sicherheitsverprechen. 

Als Zuschauer_innen müssen wir uns damit zufrieden geben, dass Marcella diejenige ist, die ihn durch eine neue Erkenntnis entlastet, und seine Entlassung als Wiedergutmachung reicht. 

Abstrakt mag das vielleicht noch okay sein, aber Yann wieder zum Subjekt werden zu lassen, sein Trauma als das solches zu bezeichnen oder vielleicht sogar zu zeigen, wie er aus dem Präsidium nach Hause humpelt, beim Anblick einer Politesse mit Herzrasen und schweißgebadet die Straßenseite wechselt, monatelang Albträume hat – das ginge zu weit.

Da wäre es zu offensichtlich, was eingesperrt und misshandelt werden hinterlässt. Dass „der Staat“ eben nicht irgendeine neutrale Kraft ist, sondern eben einzelne Menschen. 

In Uniform. Mit Korpsgeist. Und bewaffnet.

Marcella geht relativ weit damit, Polizist_innen als fehlbare Menschen darzustellen, die es nicht immer schaffen, Privates und Berufliches zu trennen. Aber: egal wie viele Fehler sie machen, sie repräsentieren immer noch ein unfehlbares System. Der Zweck, „das Verbrechen“ zu bekämpfen heiligt die Mittel.

Das bedeutet: tatverdächtig sein entrechtet und entmenschlicht. Für die Zeit in Gewahrsam ist es Yanns komplette Identität und einziges Merkmal. Er wird verdächtigt, mehre Menschen ermordet zu haben – es wird impliziert, dass er eher ein Monster als ein Mensch ist und damit darf man ihn auch anders behandeln als alle anderen Menschen: mit äußerster Brutalität. Einer Brutalität, die über dem Gesetz steht – da Mörder_innen dieses ja schließlich auch nicht beachten und außerdem über der Moral stehen. 

Die Polizei – dein Freund und Rächer.

Marcella existiert also antithetisch zu dem „Psychomördersadistenarschloch“, den sie jagt. 

Er ist psychisch krank und damit unheilbar böse, ein Monster, auf das Menschenrechte nicht angewandt werden müssen.

Sie ist psychisch krank, also kann sie nichts dafür. Die Gewalt, die von ihr ausgeht ist dadurch nicht wirklich ihre und ihr formelles Verspechen, Gesetzeshüterin zu sein, wiegt schwerer als, you know, fast jemanden umzubringen. 


Copaganda: über die guten Cops

Posted: Mai 20th, 2021 | Author: | Filed under: Copaganda | Tags: | No Comments »
Kamera filmt Cop-Auto

Kamera filmt Cop-Auto

Copaganda, eine Zusammensetzung aus Cop und Propaganda, beschreibt das Phänomen einer völlig realitätsfernen, übertrieben positiven oder heroischen Darstellung der Polizei in Unterhaltungsmedien, auf social media oder den Nachrichten. 

Dazu gehören zum Beispiel Zeitungsberichte über weiße Cops die Eiscreme mit Schwarzen Kindern teilen, während die halbe Welt sich organisiert um die Polizei abzuschaffen, und Filme oder Serien, deren Protagonist_innen für unterschiedliche staatliche Institutionen arbeiten und deren Autorität, Brutalität und direktes Ausüben struktureller, staatlicher Gewalt als „Menschen wie du und dich“ Narrative verharmlost werden. 

Real oder fiktiv, rechts oder liberal-demokratisch

Grob lassen sich solche Stories, real oder fiktiv, ideologisch in rechts oder liberal-demokratisch einordnen.

Erstere haben ein fast schon fetischistisches Verhältnis zum weißen, cishet Bullen. Dieser ist hypermaskulin und entsprechend brutal. Die Mittel zum Zweck im vermeintlichen Kampf für die Gerechtigkeit werden relativ unverblümt dargestellt (prügeln, schießen, Psychoterror), die Betroffenen aber so objektiviert und dämonisiert, dass sein Verhalten ihnen gegenüber unproblematisch ist. Harte Gangster brauchen harte Bullen, die mit ihnen mithalten können, das Gesetz ist zu soft, eh nur im Weg und darf übertreten werden, wenn es um das große Ganze geht. Cops in rechten Darstellungen sind gleichzeitig Held_innen für das, was sie tun – aber falls sie es doch mal zu weit treiben nicht verantwortlich für ihre Taten, weil sie ja nur ihren Job machen. 

Rechte Narrative beschreiben außerdem gerne, wie die Gesellschaft  auf Grund der Politik den Bach runter geht und die Polizei sich als einzige dagegen stemmt. Ihre Rolle liegt damit eher außerhalb der Gesellschaft und steht über den Dingen.

Die andere Art fokussiert sich lieber auf den Aspekt der Polizei, der sie zur Notwendigkeit für „unser aller“ Sicherheit und Teil einer „bunten“, demokratischen Gesellschaft macht. 

Polizist_innen (oder Staatsanwält_innen und Schließer_innen) werden individualisiert und zu normalen, fehlbaren Menschen gemacht, die genau so viel Mitleid und Empathie verdient haben wie die von ihnen Betroffenen. In den letzten Jahren ist es auch immer populärer geworden, unterschiedlichste Marginalisierte in diesen Berufsgruppen 

Der Effekt: Die Cops leiden unter struktureller Diskriminierung genau so wie alle andern auch. Und außerdem ist ACAB homofeindlich, weil was ist mit dem Homo, der es trotz aller Hürden nach oben geschafft hat?! Und sexistisch eh, weil wer von Sexismus betroffen ist es in einem so hypermaskulinen Arbeitsumfeld besonders schwer hat. Hashtag Girl Power!

Auch in pro demokratischen, liberalen Produktionen gibt es natürlich Polizeigewalt. Diese ist aber weniger explizit, da traditionelle Machos eher selten sind oder nur als Antagonisten existieren. 

Gewalt passiert auch nicht, weil Cops berechnend und brutal zurückschlagen (müssen), sondern weil ihre Gefühle mit ihnen durchgehen. Und was ist nachvollziehbarer als Stress bei der Lohnarbeit? 

A few bad apples

Diese Form der Copaganda schafft es manchmal, Bullen für ihre Gewalt zu verurteilen, es bleibt aber bei Einzeltäter_innen und deren Charaktereigenschaften, „a few bad apples“, und ist selten ernstzunehmende Kritik.

Beide haben eine gewisse Staat-gegen-den-Staat Logik gemeinsam: entweder müssen die Bullen sich mit pro-Verbrechen, korrupten, vermeintlich zu linken Gesetzesmacher_innen herumplagen oder sie unterliegen selbst struktureller Diskriminierung, verkörpert durch andere Polizist_innen. 

Beide finden tausend Ausreden für Polizeigewalt, priorisieren Bullenperspektiven über alles andere und verhindern den Fokus auf Betroffenen und Opfern von Polizeigewalt.