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Kevin Kühnert zu G20: Die Zeit ist ein bisschen drüber hinweg gegangen

Posted: August 26th, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik | Tags: , , , | No Comments »

Lanz: Sie waren damals bei G20?

Kühnert: Nicht bei den Krawallen auf der Elbchausee, aber bei den Demonstrationen, die ein relevantes politisches Anliegen hatten, nämlich für ‘nen anderen globalen Handel und ‘ne andere Gestaltung von Entscheidungsprozessen.

Lanz: Genau. Hat Scholz Recht? Gab es keine Polizeigewalt?

Kühnert: Ich finde es ziemlich offensichtlich, dass es damals, ähm, natürlich auch, also: Es ist die Aufgabe von Polizei, äh, sie ist Inhaber der Staatsgewalt sozusagen an der Stelle. 

Lanz unterbricht.

Lanz: Wie wäre der Satz jetzt weitergegangen an der Stelle? Dass es damals…”

Kühnert: Hm?

Lanz: Sie haben gerade den Satz angefangen, “Ich find es offensichtlich…”

Kühnert: Ja, und dann bin ich abgebogen und hab den Satz anders zu Ende gebracht.

Lanz: Warum sind Sie abgebogen?

Kühnert: Weil ich natürlich weiß, wie aus sowas auch Schlagzeilen gemacht werden. Da bin ich ein gebranntes Kind an der Stelle. Und mir geht es ja darum, den Punkt zu machen…

Lanz unterbricht ihn.

Lanz: Aber Sie wollten sagen, “Natürlich ist es relativ offensichtlich, dass es damals auch Polizei…”

Jetzt unterbricht Kühnert.

Kühnert: Ich wollte das sagen, was ich gesagt habe.

Lanz lacht ihn aus. Kühnert schmunzelt.

Alexander: War der Einsatz verhältnismäßig oder nicht?

Lanz: So!

Kühnert: Das find ich schwierig, zu beurteilen. Weil es…

Lanz…

Lanz: Aber Sie waren doch dabei!?

Kühnert: Naja, Sie wissen, es hat in Hamburg stattgefunden. Hamburg ist eine große Stadt. Und man kann nicht…

Lanz unterbricht wieder.

Lanz: Da wo Sie waren, war da der Einsatz verhältnismäßig?

Kevin: Nein, nein, nein! Es geht um einen anderen Punkt. Wir alle – das kann man sich ja ankucken – haben die Bilder davon gesehen. Und natürlich gab es da auch sehr brutale Einsätze. Die Frage ist jetzt am Ende immer, wenn man sich das dann ankuckt und bewertet, kennt man häufig nicht den Kontext. Wir wissen auch aus den Berichten danach, es war natürlich auch für viele Beamte eine Hochstress-Situation. Die Personalausstattung war sehr niedrig. Es gab Leute, die haben kaum zwischendurch mal und wenn dann auf dem nackten Boden schlafen müssen zwischendurch. Ich finde es manchmal ein bisschen hochnäsig und wohlfeil, dann aus der Außenperspektive zu sagen, “Ich weiß ganz genau, das ist eine indiskutable Polizeitaktik gewesen.” Dass das viel brutaler an vielen Stellen war, auch was die Masse an Einsatz von Pfefferspray und ähnlichen angeht, als ich es, als regelmäßiger Demogänger anderswo erlebt habe, ist eine Offensichtlichkeit. Daraus kann ich aber noch keine…ich bin nicht in der Position, eine Polizeitaktik abschließend zu bewerten. Natürlich hat es Gewaltexzesse noch und nöcher in diesen Tagen in Hamburg gegeben.

Lanz: Auch von Seiten der Polizei?

Kühnert: Erstmal von Seiten marodierender Gruppen, die durch die Stadt gelaufen sind und die ja auch eine Schneise der Verwüstung…ich meine, es ist der mit Abstand kleinste zahlenmäßige Teil der Demonstrierenden gewesen und leider der, auf den sich am Ende alles fokussiert hat. Es gab Angst in der Stadtgesellschaft, weil die Leute gesehen haben, die ziehen hier durch unsere Straßen und es ist keiner da.

Lanz: Aber Sie haben – mir kommt gerade ein Interview-Fetzen irgendwo hoch – Sie haben irgendwo mal gesagt, “da gab’s natürlich Provokationen von der Polizei”.

Kühnert schaut ganz verwundert.

Kühnert: Da müssten Sie mir jetzt sagen, wo Sie den Interview-Fetzen…

Lanz: Ich hatte das ja nur so im Hinterkopf.

Kühnert: Ja…

Lanz: Sie wollten es ja auch gerade andeuten und insofern.

Kühnert: Ja…

Lanz: Wie finden Sie es denn, wie sich ihre Parteivorsitzende dazu regelmäßig äußert? Ich nehm das natürlich sofort zurück, wenn Sie das nicht gesagt haben, aber Frau Esken macht das ja. Sie hat ja im Grunde eine ziemlich seltsame Debatte genau mit ihren Tweets angestoßen. Also: die Linie rassistischer Polizeigewalt in den USA nach Deutschland^, die wurde aber sehr schnell gezogen. Das fand ich irgendwie schwierig.

Na, sie hat die Linie wesentlich differenzierter gezogen, als sie am Ende gemacht wurde. Natürlich müssen alle von uns immer reflektieren, ob wir unsere Punkte so richtig gesetzt haben. Aber in einer demokratisch gesinnten Gesellschaft – wir haben vorhin besprochen was in Russland mit Oppositionellen passiert, ist es ein Wert an sich, dass es freie auch kritische Demonstrationen gibt… Lanz versucht, zu unterbrechen

Kühnert weiter …nein, es ist wichtig, an dieser Stelle auszuholen. Und natürlich ist es absolut Aufgabe von demokratisch gewählten Politikerinnen und Politikern, aufmerksam dafür Sorge zu tragen, dass diese Demonstrationen auf beiden Seiten in einem geordneten Rahmen ablaufen. Und es ist auch keine Majestätsbeleidigung für irgendeine Behörde, wenn es hier und dort hinterfragt wird. Staatsgewalt muss sich immer, das ist ihr immanent, auch rechtfertigen und darlegen, inwieweit sie die festgelegten Standards einhält. Ich glaube, dass das – und das hat Saskia Esken auch nie anders gesagt – bei der übergroßen Zahl derjenigen, die Dienst haben in diesen Sicherheitsbereichen gewährleistet ist. Aber ich muss eben auch – und es ging ja um sowas wie Racial Profiling, was es ja formal, da hat uns ja Herr Seehofer dran erinnert, verboten ist, weshalb er zu dem Schluss kam, deswegen müssen wir das auch nicht erforschen, weil was nicht sein darf, kann ja auch nicht sein. Und natürlich muss ich aber zur Kenntnis nehmen, wenn ich mit Menschen in meinem Freundeskreis spreche, die nicht so kartoffelweiß sind, wie ich das bin, dass die innerhalb eines Monats manchmal so häufig auf der Straße nach ihrem Ausweis gefragt werden, wie mir das in meinem Leben noch nicht passiert ist. Und es ist völlig legitim, das politisch zu thematisieren, ohne eine Schuldzuweisung an eine bestimmte Person vorzunehmen, und zu sagen eine offene egalitäre Gesellschaft muss aushalten, dass ein solchen Umstand geredet wird und wir auch kucken, wie das verbessert werden kann. Das ist nicht anrüchig. 

Lanz zu Alexander: Kurzer Schlusssatz? 

Alexander: Ich finde, da liegt noch viel drin. Weil ich weiß noch, als Olaf Scholz Innenminister in Hamburg war. Das war gar nicht so lange. Nur ein paar Monate. Da stand er für eine betont harte Linie gegen das Hamburger Drogenproblem. Und damals hat ihm die Linke sehr übel genommen, dass er durchgesetzt hat, dass Dealern, die die Ware runterschlucken, dass sie nicht gefunden wird, Brechmittel verabreicht wird, dass sie wieder rauskommt. Und das wär auch etwas. ich weiß nicht, wie Olaf Scholz dazu heute steht. Ich habe nie gehört, dass er sich davon distanziert hat, aber da würde ich, glaube ich, gerne die Meinung von Frau Esken zu hören und wenn ich drüber spreche, eigentlich auch ihre. an Kühnert

Lanz: Ich hab übrigens gerade – Kollegen aus der Regie sagen mir das gerade nochmal – es gab ein Vorgespräch für die Sendung, in dem sie das so thematisiert haben. Und daher hab ich das auch. Das Zitat ist: “Ich hab mich damals maßlos darüber geärgert, dass es keine Polizeigewalt gegeben hätte beim G20-Gipfel.” das ist das Zitat von Ihnen 

Kühnert: Naja. Das ist ja auch korrekt so dargelegt. Die Frage ist jetzt – also ich finde kann ja festhalten, dass natürlich Gewalt ausgeübt wurde. Es gibt ein Gewaltmonopol seitens des Staates in unserer Gesellschaft. Die interessante politische Frage ist ja dann am Ende, und da hätten mich dann die Argumente interessiert, gerade von jemandem, der politisch VErantwortung hat an führender Stelle, ob man das als dann gerechtfertigt erachtet, aus bestimmten Lageberichten usw, wie sie sich darstellen. Die kann ich nicht einsehen, die hatten wir alle damals nicht vorliegen. Das wäre der spannende Teil der Debatte, ähm, gewesen. Nun ist es einige Jahre her und die Zeit ist ein bisschen drüber hinweg gegangen.


Jetzt wird’s schmerzhaft: was die Petition für eine Studie zu Racial Profiling tatsächlich bringt

Posted: August 16th, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik, Racial Profiling | Tags: , , , , | No Comments »

„Mit der Petition wird die Durchführung einer Studie zum „Racial Profiling“ bei den Polizeibehörden des Bundes und der Bundesländer gefordert.“ Fordern kann 1 viel. Die Petitionsplattform des Bundestages ist genau dafür gemacht: Forderungen. Diese können hier vorgestellt und bis zur willkürlichen Marke von 50.000 Unterstützer*innen hoch und in den Bundestag gevotet werden.

Der Clou: die Forderungen beinhalten keinerlei Verpflichtungen für das hohe Haus. Und so wird das Ergebnis der erfolgreichen Petition keinesfalls die Einführung bundesweiter Studien in allen 19 Polizeibehörden sein. Kein Schritt zu mehr Transparenz für Polizeien, sondern besonders für Betroffene wird es ein sehr schmerzhafter Moment werden.

CDU und SPD werden die Initiative platzen lassen

Die Euphorie über den Erfolg der Petition ist trügerisch. Damit auf eine erfolgreiche Petition auch eine legislative Umsetzung folgt, braucht es – sofern die Petition nicht vorher aufgehalten wird – eine Mehrheit im Bundestag. Das Erreichen des Quorums bedeutet lediglich, dass das Parlament sich mit der Forderung der Petition „befassen“ muss. Und damit dürfte der Erfolg im Bundestag bescheiden ausfallen: für einen Erfolg braucht es Stimmen der Groko aus SPD und CDU. Und da die Rassismus-Studie im Dunstkreis der Polizei-Lobby als Angriff auf die Polizei verstanden wird, wird genau hingeschaut werden, wer die Initiative unterstützt.

Der Bundesinnenminister (CSU) hat den Vorschlag bereits im Juli nicht nur platzen lassen. Seehofer hat dazu – quasi in typischer Polizei-Manier – aus der „Anzeige“ eine „Gegenanzeige“ gemacht und eine Studie zu Gewalt auf Polizist*innen in Erwägung gezogen. Wenn nichts wirklich Ungewöhnliches passiert, dürften die Unionsparteien klar und geschlossen gegen die Studie stimmen. 

Für die SPD wird der Umgang mit der Petition wesentlich schwieriger: Eigentlich wäre deren Inhalt ideal dazu geeignet, an RRG zu schmieden und das Potential einer „linken Koalition“ sichtbar werden zu lassen. Doch die Position der SPD zur Polizei in letzter Zeit lässt die Hoffnung schwinden, dass die Fraktion das Anliegen tragen wird. Saskia Eskens zaghafte Versuche, mehr Kontrolle für Polizei zu fordern (z. B. nach Silvester in Leipzig) wurden nicht zuletzt durch ihr eigenes Zaudern nach Kritik torpediert. Der Besuch einer Polizei-Kaserne dürfte die Kapitulation vor den Reaktionären ihrer Partei darstellen.

Struktureller Rassismus bei der Polizei in der SPD ein Tabu

Wer beim Kampf gegen strukturellen Rassismus die Polizei ins Visier nimmt, wird in der SPD für dumm erklärt. Das Problem wird in Scholz-G20-Manier weggeredet. An ihrer Chefin statuierte die SPD ein Exempel: „Wer die Polizei kritisiert, wird demontiert.“ Das wirkt. Als die Petition in den letzten Tagen auf Twitter gepusht wurde, klinkte sich die SPD-Fraktion komplett aus.

So wird die Initiative bei den kleinen Oppositionsparteien liegen. Das ist beschämend, denn so bleibt es maximal bei einem symbolischen Zeichen, wenn die Petition im Bundestag durchfällt. Bitter für Betroffene, aber vielleicht ein wichtiges Signal für alle Wähler*innen.


Essen: Schweigen in der Politik

Posted: Juni 14th, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik | Tags: , , | No Comments »

Es ist beschämend. Gerade hat der Polizeipräsident Richter bereits vor Abschluss der Ermittlungen alle Opfer mutmaßlich rassistischer Polizeigewalt kriminalisiert, indem er ihnen im Interview mit Funke unterstellt, mit ihren Vorwürfen gegen die Cops über ihre eigenen Vergehen hinwegtäuschen zu wollen. Und die Essener Politik um Oberbürgermeister Thomas Kufen stärkt der Polizei den Rücken und schweigt zu den rassistischen Vorfällen. Das Antirassismus-Telefon Essen hat dazu nun einen offenen Brief veröffentlicht.

OFFENER BRIEF AN DEN ESSENER OBERBÜRGERMEISTER

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kufen.

Wir möchten uns auf diesem Weg zur den aktuellen Erklärungen Ihrerseits und Ihrer Kollegen aus den Fraktionen in der Presse äußern und das ausdrücklich empört.

Sie und Ihre Kolleg*innen stellen sich hinter die deutsche, hinter die Essener Polizei. Sie weisen jeden Vorwurf zu Rassismus und erst Recht zu unverhältnismäßiger, rassistisch begründeter Polizeigewalt vehement zurück.
Sie haben eine Debatte über die Wortwahl und Vergleiche einer Verdi-Aktivistin im Rahmen einer Kundgebung zu Georg Floyd angefacht.

Uns erscheint das allerdings wie eine willkommene Ablenkung und Spiegelfechterei. So muss man nicht über die zum Teil ungeheuerlichen Fälle sprechen, die in den letzten Wochen und Monaten in Essen öffentlich geworden sind.

Damit ignorieren Sie den Vorstoß Ihres Innenministers Reul, der für NRW Extremismusbeauftrage für die Polizei etabliert hat. Diese haben seit Ende April ihre Arbeit aufgenommen, um auch ausdrücklich rechte Tendenzen in der Polizei zu bekämpfen.

Während wissenschaftliche Expert*innen zum Beispiel der Universität Duisburg Essen mit empirischer Forschung belegen, dass es sehr wohl Rassismus bei der Polizei gibt, auch in Essen, nimmt die Essener Stadtspitze die gesamte Essener Polizei pauschal in Schutz. Es ist für uns nicht nachvollziehbar, sich angesichts dieser Vorwürfe vorbehaltslos hinter die komplette Essener Polizei zu stellen:

Eine 50jährige schwarze Deutsche war Anfang März mit ihren jugendlichen Töchtern in Essen zum Shoppen.
Ihr wurde das Portmonee geklaut.
Als sie in der Polizeiwache Essen Mitte Anzeige erstatten will, kommt es laut ihrer Angabe zu rassistischen Beleidigungen und massiver Polizeigewalt ihr gegenüber und auch gegenüber ihren Töchtern.

Ebenso ihr Sohn, der nach einem Anruf besorgt zur Wache eilt, wird im Anschluss mit Schlagstock und Tränengas massiv verletzt. Die Polizei ruft ihm einen Krankenwagen. Auch Mutter und Tochter müssen ins Krankenhaus.
Im Anschluss erstatten sie Anzeige.

Eine Journalistin hatte auf Twitter auf den Fall aufmerksam gemacht. Deshalb ermittelt jetzt die Staatsanwaltschaft und die Polizei in Bochum. Der öffentlich rechtliche Sender WDR wurde auf den Fall aufmerksam und hat sorgfältig recherchiert. Der Bericht erschien Sonntag bei Westpol als Aufmacher und ist noch mindestens ein Jahr in der Mediathek.
Auch andere bundesweite Medien griffen den Fall auf.
Hier in Essen wird er von der Politik und der lokalen Presse kommentarlos zur Kenntnis genommen, obwohl Innenminister Reul sich dazu bei Westpol äußert.

Ist dieses Desinteresse an diesem ungeheuerlichen Vorfall und schwerem Vorwurf an für sich schon rassistische Ignoranz gegenüber einer schwarzen deutschen Mitbürgerin?

Haben Sie den Westpolbeitrag gesehen?
Können Sie mit ruhigem Gewissen sagen, dass Sie an der Aussage der Frau zweifeln und die Gewalt von Polizisten an der Frau und ihren Kindern verhältnismäßig war, ohne jeden Zweifel?
Auch wenn Sie die im Krankenhaus dokumentierten Verletzungen zur Kenntnis nehmen?
Können Sie dann im Umkehrschluss rassistische Beleidigungen ausschließen und halten derlei Angaben für Phantasie?
Denn das würden Sie mit einer vorbehaltslosen Rückendeckung „Ihrer“ Essener Polizei den mutmaßlichen Opfern, aber auch allen anderen Einwohner*innen dieser Stadt zu verstehen geben.
Für Menschen, die bereits Erfahrung mit Rassismus gemacht haben, aufgrund ihrer Hautfarbe oder anderer Merkmale, ein fatales Signal.
Diese Einwohner und wir mit ihnen erwarten von einem OB, dass er hinter allen Bürger*innen steht und sich für sie einsetzt.
Wir erwarten, dass ein OB ihre Nöte ernst nimmt, besonders wenn es um rassistische Erfahrungen im Umgang mit Behörden geht und mit der Polizei, die das staatliche Gewaltmonopol innehat und dieses mit absoluter Sorgfalt bedingungslos zu achten hat.
Eine tiefgehende Prüfung aller Vorwürfe durch eine vollkommen unabhängige Stelle sollten deshalb auch Sie wünschen, übrigens auch im Interesse der Essener Polizei.
Wir erwarten interessiert eine Stellungnahme zu unserem Schreiben.�

Mit freundlichen Grüßen

Anabel Jujol

im Auftrag für das
Antirassismus-Telefon-Essen

14.6.2020


Parteien-Check zur Hamburger Bürgerschaftswahl 2020

Posted: Februar 6th, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik | Tags: , , , , , , , , , , , , , | No Comments »

#1WeltOhnePolizei ist ein unabhängiges, journalistisches Watch- und Infoblog, das sich seit September 2019 kritisch mit Polizei auseinandersetzt. Wir haben die Parteien der Bürgerschaftswahl in Hamburg und ihre Programme überprüft, wie sie zur Polizei stehen und ihre Antworten ausgewertet.

Pressemitteilung zum Wahlcheck

Wahl-Checklist Hamburg 2020 als PDF herunterladen

Warum #1WeltOhnePolizei?

Wir setzen uns ein für ein eine Welt ohne Polizei ein, in der jedes „Problem“ – von lauten Nachbarn bis hin zu kaputten Rücklichtern – zu einem Interventionspunkt der Polizei wird. Denn: Das Ergebnis ist eine Epidemie von Belästigung und Gewalt, die viel zu oft tödlich endet (15 Male im Jahr 2019). 

Wir sind überzeugt, dass wir andere, gerechtere und Gewalt freiere Möglichkeiten zur Lösung unserer Probleme finden. Wir fordern daher, die Macht der Polizei zurückdrehen und die Institution letztendlich vollständig abzuschaffen. Ob die Teilnahme an der Bürgerschaftswahl dazu taugt, eine Welt ohne Polizei zu erreichen, ist stark zu bezweifeln. Für Veränderung kann aber gesellschaftlicher Druck nicht ganz unwichtig sein, also schließe dich mit anderen zusammen und werde selbst aktiv für eine bessere Welt!

Warum einen Wahl-Check zu Polizei zur Bürgerschaftswahl?

Uns ist klar, dass derzeit keine Partei unser Ziel der Abschaffung der Polizei teilt. Trotzdem machen wir unseren Wahl-Check, um für die für unsere Forderungen zu sensibilisieren. Wir wissen, dass bereits kleine Schritte, die Polizeimacht begrenzen oder sogar reduzieren, für viele Menschen eine Erleichterung sind und ermutigen, aktiv zu werden. Und so könnten auch Maßnahmen aus Wahlprogrammen von Parteien, die an den Bürgerschaftswahlen 2020 in Hamburg teilnehmen, hilfreich sein, um beispielsweise Initiativen Luft zum Atmen zu geben oder bessere Bedingungen zur Organisation von Nachbarschaftsnetzwerken herbeizuführen. 

Natürlich handelt es sich bei den Inhalten von Wahlprogrammen immer nur um Versprechen. Wie sich beim Thema Vermummung zeigt, fehlt die Entschlossenheit bei den Parteien, Polizei begrenzende Maßnahmen zu vertreten. Und natürlich müssen Maßnahmen, zur Abschaffung der Polizei viel weitergehender sein.

Ob eins sich letztendlich an den Wahlen in Hamburg beteiligt, muss jede*r selbst entscheiden. Aber gerade bei strittigen Themen wie dem Vermummungsverbot könnte eine Wahl auf Landesebene, ein Zeichen für Politiker*innen sein, für weniger Polizei zu streiten. Insofern könnte eine Beteiligung an der Wahl relevant auch relevant sein, wenn 1 die Prozesse der „parlamentarischen Entscheidungsfindung“ grundsätzlich als mangelhaft empfindet.

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Forderungen

Polizeigewalt thematisieren (G20)

Wir haben in den Programmen der Parteien nach Statements gesucht, in denen anerkannt wird, dass Polizeigewalt – wie beispielsweise während des G20-Gipfel – existiert. Wer Polizeigewalt erkennt und benennt, ist in der Lage die dahinter liegenden Zusammenhänge zum kapitalistischen Staat zu begreifen.

Ausbildungsinhalte reformieren

Racial-profiling, die Verbreitung von Rassismus, Sexismus, Klassissmus und Menschen feindliche Gesinnung ist groß in der Gesellschaft und auch bei den Polizeien verbreitet. Eine fundierte Ausbildung muss dem entgegen wirken und Polizist*innen schulen, bestehende Diskriminierung nicht noch zu verstärken.

Stadtteile stärken

Starke Communities können Konflikte lösen, ohne Polizei in den Kiez zu holen. Je mehr Freiraum zur Entfaltung in den Nachbarschaften entsteht, desto freier können die nachbarschaftlichen Netzwerke wachsen.

Videoüberwachung reduzieren

Die Polizei ist nicht nur mit physischen Waffen ausgestattet, sondern Technologien der Überwachung und Kontrolle gehören ebenfalls dazu. Sie und alle anderen Instrumente der Repression gehören abgeschafft.

Videoüberwachung, nicht als Lösung sondern als Problem zu verstehen und die aktuelle Überwachungsinfrastruktur zu reduzieren, ist dafür ein erster Ansatz.

Vermummung entkriminalisieren

Vermummung wird auf Versammlungen in der Regel als Straftat eingestuft und muss dann von Polizei als solche verfolgt werden. Gleichzeitig werden Versammlungsteilnehmer*innen regelmäßig von Polizei-Video-Teams anlasslos gefilmt und persönliche Daten widerrechtlich erfasst. 

Die Abschaffung oder Herabstufung zur Ordnungswidrigkeit, gäbe nicht nur Polizei mehr Spielraum, sondern auch Teilnehmer*innen Raum, ihr Recht auf Anonymität (abgeleitet aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht) zu wahren.

Polizeibeschwerdestelle einführen

Ein wesentliches Problem ist ein fehlender „vollständiger unabhängiger und gut funktionierender Beschwerdemechanismus, der alle Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden einschließt.“ (Amnesty Positionspapier)

Weder Polizist*innen, die bspw. Mobbing erfahren noch Menschen, denen Polizeigwalt widerfährt, haben eine unabhängige Stelle, um sich zu melden. Polizei ermittelt gegen sich selbst. Die Einrichtung einer Beschwerdestelle könnte das beheben und Verstöße statistisch erfassen.

Kennzeichnungspflicht ausbauen

Kennzeichnungspflicht schränkt die Macht von Polizist*innen ein, unerkannt Gewalt auszuüben und erleichtert die Identifikation von Einzelnen. In Hamburg gibt es aktuell eine Kennzeichnungspflicht. Sie muss ausgebaut werden.

Racial profiling bekämpfen

Statistiken der Polizei zeigen, dass die Praxis des Racial Profiling kaum Fahndungsergebnisse erbringt. Gleichzeitig stellt rassistische Diskriminierung immer einen Angriff auf das Fundament der Menschenrechte dar: die gleiche Würde aller Menschen. Und: Racial/Ethnic Profiling verstärkt vorhandene gesellschaftliche und individuelle Stereotype und Vorurteile. Das muss aufhören.

Cannabis entkriminalisieren

Die Kriminalisierung von Cannabis ist rassistisch und gehört abgeschafft. 

Containern entkriminalisieren

Faktisch kriminalisieren wir diejenigen, die im Kleinen etwas für den Klimaschutz tun, ohne dass jemandem geschadet wird. 

Schwarzfahren entkriminalisieren

Schwarzfahren ist ein weiterer Fall, wie Armut kriminalisiert wird. Die Polizei ist daran beteiligt.

Gefährliche Orte abschaffen

Gefährliche Orte sind Orte, in denen gewisse Grundrechte nicht gelten, sodass Polizei in diesen Gebieten anlasslose Kontrollen durchführen kann. 

Abschaffung tödlicher Waffen

Im Jahr 2019 starben 15 Menschen durch durch von Polizist*innen abgegebene Schüsse. Immer wieder haben Polizeimaßnahmen auch unter Einsatz anderer Waffen (Pfefferspray, Schlagstock, Taser, etc.) tödliche Folgen. Abschaffung tödlicher Bewaffnung ist der effektivste Weg, dies einzudämmen.

Polizeireiterstaffel abschaffen

Der Einsatz von Polizeipferden bedeutet lebenslange Qual für die Pferde und die Inkaufnahme schwerer Verletzungen.

Besetzung von Leerstand entkriminalisieren

Auch in Hamburg gibt es Flächen, die jahrelang leerstehen, statt Wohnraum zu sein. Menschen, die sich dagegen einsetzen werden kriminalisiert.

Datensammeln einschränken

Polizei sammelt immer mehr und immer uneingeschränkter Daten über Menschen und hat Zugang zu Daten auf Smartphonen und Computern. Hier braucht strengste Regulierung.

Keinen Gefahrenbegriff nach bayerischen Vorbild einführen

In Bayern ist es mit dem neuen Polizeigesetz möglich, Menschen, die von der Polizei als Gefahr beschrieben werden, für einen quasi unbegrenzten Zeitraum zu inhaftieren. 

Methodik & Disclaimer

Die Positionen zu unseren Forderungen haben wir den Programmen der Parteien entnommen, teilweise aktuellen Presseberichten und Statements vor der Wahl durch die Kandidat*innen und Parteisprecher*innen. Danach haben wir mit 1 Punkt bewertet, sofern die Forderung enthalten ist, mit 0 Punkten wenn ein Forderung nicht enthalten ist.

Wir sind großzügig:

Parteien, die mehr als 10 Punkte von 16 möglichen erreichen, bekommen das No-Cops-Siegel. Diese Parteien haben sich zum Ziel gesetzt, die Macht von Polizei in Hamburg in bestimmten Bereichen einzuschränken. Auch die Grünen haben es bekommen, in der wohlwollenden Erwartung, dass sie bei der Entkriminalisierung von Vermummung standhaft bleiben.

 

Das Cop-Siegel ist für Parteien, die weniger als 10 Punkte erhalten haben. Alle Parteien liegen deutlich unter dieser Grenze: FDP (4), SPD (2), CDU (0), AfD (0).  Wenn ihr wählen geht, wählt bloß keine von denen.

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An die kritische Leserin

Danke, dass du bis hierhin gelesen hast. Wir würden uns über dein Feedback zu unserem Wahl-Check freuen. Wenn du magst, schreib uns eine E-Mail mit deinen Gedanken.

An die Parteien

In dieser ersten Version unseres Wahl-Checks, haben wir eure Positionen aus den jeweiligen Programmen entnommen, sowie aktuellen Aussagen von Politikern eurer Partei in Hamburg analysiert, statt wie bei so etwas üblich eine direkte Befragung zu unternehmen. Falls ihr euch an irgendeiner Stelle missverstanden fühlt, schreibt uns.

***

Dir hat der Wahl-Check gefallen? Wir brauchen Dich, um die Zukunft von #1WeltOhnePolizei zu sichern. Bitte mach mit! Unterstütze und mit einem Kaffee!


Hurra, hurra, ein Bulle brennt oder warum wir mehr Punkband-Minister*innen brauchen

Posted: Januar 2nd, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik | Tags: , , , , , , , , , | No Comments »

Katja Meier hat für die Grünen in Sachsen als Spitzenkandidatin den Wahlkampf geführt. Dass sie mal in einer Punkband gespielt hat, war schon im August bekannt. Im taz-Artikel über Katja Meier ist ausgerechnet Hurra, der Mai ist da! verlinkt, das Video, das jetzt für große Aufregung sorgt. Fast ein halbes Jahr später, hat das nun auch die AfD bemerkt und Katja Meiers Vergangenheit mit Blick auf Silvester in Connewitz thematisiert. 

Hurra, hurra, ein Molli brennt

Der Text des Liedes ist eigentlich ziemlich banal. Es beschreibt Eskalation von Gewalt gegenüber Cops.

Advent, Advent, ein Mollie* brennt
[Ganz] Deutschland feiert [Mai]
Und wenn das [vierte] Mollie brennt,
Dann kommen die Bullen.

Der erste Mai [Text unverständlich]

Advent, Advent, ein Sixpack** brennt
erst eins, dann zwei, dann drei
Und wenn das [vierte] Sixpack brennt,
dann kommen die Bullen. 

Der erste Mai [Text unverständlich]

Advent, Advent, ein Bulle brennt
erst eins, dann zwei, dann drei
Und wenn der [vierte] Bulle brennt,
dann haben wir [gewonnen.]

Den ersten Mai [verpennt]

Hurra, hurra, ein Sixpack brennt

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2016 geurteilt, dass es sich um Meinungsäußerung handelt, wenn nicht eine explizite Personen-Gruppe (hier: eine bestimmte Gruppe Cops) angesprochen ist. Auch wenn sich das Urteil auf ACAB bezog, lässt sich die Auslegung auf den Liedtext ebenso übertragen.

Die entscheidende Passage aus dem Beschluss des BVG:

Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, kann zwar unter bestimmten Umständen ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.  

Es geht hier nicht – wie beispielsweise bei der Affäre um den Neo-Nazi Möritz in der CDU – um Verbindungen zu einer Organisation, die konkrete Listen politischer Gegner und Waffen für einen Tag X besitzt. Damit ist der Liedtexts mal abgesehen von der Kunstfreiheit, als Meinungsfreiheit gedeckt. Die öffentliche Debatte, die sich gerade darum dreht, ob es sich bei der Punkband um eine Jugendsünde handelt, ist absurd. Es gibt diese Jugendsünde schlicht nicht. 

Hurra, hurra, ein Bulle brennt

Während ich diesen Text schreibe, kommt raus, dass die schwerwiegenden Vorwürfe der Leipziger Polizei nicht stimmen. Die Notwendigkeit des Polizei Hinterfragens und Kritisierens, wie es für Punk elementar ist, ist real. Die staatliche Kontrolle der Staatsgewalt ist mangelhaft. 

Polizeigewalt ist ein gesellschaftliches Tabu. Schon kleinstes Hinterfragen oder Kritisieren führt so einer toxischen Abwehrreaktion reaktionärer Kräfte. Menschen, die sich gegen einen übergriffige Praktiken wehren, werden zu Terrorist*innen. 

So lenkt mensch wunderbar von den Unzulänglichkeiten der Kontrolle der Polizei ab. Das ist fatal. Der Polizeihistoriker Dr. Wolfgang Schulte von der Polizeihochschule Münster sagt dazu:

Polizei hat bestimmte Rechte und Privilegien, die sie für ihre tägliche Arbeit braucht. Aber sie unterliegt auch bestimmten Gefährdungen. Also wenn ich das Gewaltmonopol wahrnehme in einem Rechtsstaat, dann kann ich das nur tun, wenn ich mich auch an rechtliche Begrenzungen halte, strikt halte. Und das deutlich zu machen, wohin es führen kann, wenn diese Begrenzungen wegfallen, dafür ist gerade die Auseinandersetzung mit der Geschichte der NS-Zeit ein gutes Beispiel.

Es gibt in Sachsen ebenso wenig wie in anderen Bundesländern (Berlin ausgenommen), Mechanismen, um neutrale Ermittlungen durchzuführen, wenn Polizei rechtliche Begrenzungen übertritt. Eine Justizministerin mit Punkband-Biografie? Etwas Besseres kann es doch gar nicht geben. Wir brauchen mehr Punks in den Ministerien, Menschen mit einem ausgeprägten Misstrauen gegenüber staatlichen Behörden. Menschen, die sich trauen, unbequeme Fragen zu stellen. Ob Katja Meier das ist, weiß ich nicht, aber ihre Zeit mit den Harlekins ist nicht das Problem.

Update, 03.01.2020 um 14:32 Uhr 🤦