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Corona-Tagebuch – die Polizei in der Krise (3)

Posted: März 21st, 2020 | Author: | Filed under: Aktuelle Einsätze | Tags: , , , , , , , | No Comments »

Ausgangssperre

Zuletzt aktualisiert Sonntag, 22.03.2020 um 8:28 Uhr.

Hier geht es hier um Ausgangssperren. In Spanien und Frankreich gibt’s die schon. Die Folge sind mehr übergriffige Polizeieinsätze, mehr rassistische Maßnahmen (zumindest in den sozialen Medien und in der Berichterstattung). Auch in Deutschland würden die Kontrollen wohl eher die „üblichen Verdächtigten“ treffen. Am Freitag trendet #Ausgangssperre und #AusgangssperreJetzt auf Twitter.

Aber wie ist die aktuelle Lage dazu in Deutschland? Es folgt ein Überblick zu den Maßnahmen, die einzelne Bundesländer ergriffen haben – unvollständig, laufend aktualisiert. Fehlt etwas? Schreibt eine E-Mail.

Bayern

Spaziergänge mit dem Hund, allein oder mit der Familie bleiben erlaubt, Einkäufe sind weiter möglich und Sport im Freien wird auch nicht verboten. Versammlungen im Freien werden von der Polizei aufgelöst. Andere Bundesländer erwägen dem Beispiel zu folgen.

Sachsen

Ab Sonntag: Ansammlungen von Menschen werden mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren bestraft.

Hessen

Ab Samstagmittag, 12 Uhr: Restaurants dicht, Versammlungen nur bis fünf Personen

Sonntag gibt es angeblich Beratschlagungen der einzelnen Bundesländer mit der Bundesregierung über bundesweite Ausgangsregelungen.

Saarland

 

Berlin

 

NRW

Die Landesregierung NRW reagiert überrascht auf die Ausgangssperre in Bayern und werfen Markus Söder ein unabgestimmtes Vorpreschen vor dem Treffen am Sonntag vor.

Immer deutlicher wird auch der Wettstreit insbesondere zwischen NRW und Bayern um das beste Vorgehen.

Ausgangsbeschränkung vs. Ausgangssperre

Auch interessant das Ringen um Begrifflichkeiten…

Ein detailliertes „Corona-Tagebuch“ gibt es außerdem auf cilip.de

Die vorherigen Einträge zu Polizei und Corona findet ihr hier.


Hurra, hurra, ein Bulle brennt oder warum wir mehr Punkband-Minister*innen brauchen

Posted: Januar 2nd, 2020 | Author: | Filed under: In der Politik | Tags: , , , , , , , , , | No Comments »

Katja Meier hat für die Grünen in Sachsen als Spitzenkandidatin den Wahlkampf geführt. Dass sie mal in einer Punkband gespielt hat, war schon im August bekannt. Im taz-Artikel über Katja Meier ist ausgerechnet Hurra, der Mai ist da! verlinkt, das Video, das jetzt für große Aufregung sorgt. Fast ein halbes Jahr später, hat das nun auch die AfD bemerkt und Katja Meiers Vergangenheit mit Blick auf Silvester in Connewitz thematisiert. 

Hurra, hurra, ein Molli brennt

Der Text des Liedes ist eigentlich ziemlich banal. Es beschreibt Eskalation von Gewalt gegenüber Cops.

Advent, Advent, ein Mollie* brennt
[Ganz] Deutschland feiert [Mai]
Und wenn das [vierte] Mollie brennt,
Dann kommen die Bullen.

Der erste Mai [Text unverständlich]

Advent, Advent, ein Sixpack** brennt
erst eins, dann zwei, dann drei
Und wenn das [vierte] Sixpack brennt,
dann kommen die Bullen. 

Der erste Mai [Text unverständlich]

Advent, Advent, ein Bulle brennt
erst eins, dann zwei, dann drei
Und wenn der [vierte] Bulle brennt,
dann haben wir [gewonnen.]

Den ersten Mai [verpennt]

Hurra, hurra, ein Sixpack brennt

Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2016 geurteilt, dass es sich um Meinungsäußerung handelt, wenn nicht eine explizite Personen-Gruppe (hier: eine bestimmte Gruppe Cops) angesprochen ist. Auch wenn sich das Urteil auf ACAB bezog, lässt sich die Auslegung auf den Liedtext ebenso übertragen.

Die entscheidende Passage aus dem Beschluss des BVG:

Eine herabsetzende Äußerung, die weder bestimmte Personen benennt noch erkennbar auf bestimmte Personen bezogen ist, sondern ohne individuelle Aufschlüsselung ein Kollektiv erfasst, kann zwar unter bestimmten Umständen ein Angriff auf die persönliche Ehre der Mitglieder des Kollektivs sein. Je größer das Kollektiv ist, auf das sich die herabsetzende Äußerung bezieht, desto schwächer kann auch die persönliche Betroffenheit des einzelnen Mitglieds werden, weil es bei den Vorwürfen an große Kollektive meist nicht um das individuelle Fehlverhalten oder individuelle Merkmale der Mitglieder, sondern um den aus der Sicht des Sprechers bestehenden Unwert des Kollektivs und seiner sozialen Funktion sowie der damit verbundenen Verhaltensanforderungen an die Mitglieder geht.  

Es geht hier nicht – wie beispielsweise bei der Affäre um den Neo-Nazi Möritz in der CDU – um Verbindungen zu einer Organisation, die konkrete Listen politischer Gegner und Waffen für einen Tag X besitzt. Damit ist der Liedtexts mal abgesehen von der Kunstfreiheit, als Meinungsfreiheit gedeckt. Die öffentliche Debatte, die sich gerade darum dreht, ob es sich bei der Punkband um eine Jugendsünde handelt, ist absurd. Es gibt diese Jugendsünde schlicht nicht. 

Hurra, hurra, ein Bulle brennt

Während ich diesen Text schreibe, kommt raus, dass die schwerwiegenden Vorwürfe der Leipziger Polizei nicht stimmen. Die Notwendigkeit des Polizei Hinterfragens und Kritisierens, wie es für Punk elementar ist, ist real. Die staatliche Kontrolle der Staatsgewalt ist mangelhaft. 

Polizeigewalt ist ein gesellschaftliches Tabu. Schon kleinstes Hinterfragen oder Kritisieren führt so einer toxischen Abwehrreaktion reaktionärer Kräfte. Menschen, die sich gegen einen übergriffige Praktiken wehren, werden zu Terrorist*innen. 

So lenkt mensch wunderbar von den Unzulänglichkeiten der Kontrolle der Polizei ab. Das ist fatal. Der Polizeihistoriker Dr. Wolfgang Schulte von der Polizeihochschule Münster sagt dazu:

Polizei hat bestimmte Rechte und Privilegien, die sie für ihre tägliche Arbeit braucht. Aber sie unterliegt auch bestimmten Gefährdungen. Also wenn ich das Gewaltmonopol wahrnehme in einem Rechtsstaat, dann kann ich das nur tun, wenn ich mich auch an rechtliche Begrenzungen halte, strikt halte. Und das deutlich zu machen, wohin es führen kann, wenn diese Begrenzungen wegfallen, dafür ist gerade die Auseinandersetzung mit der Geschichte der NS-Zeit ein gutes Beispiel.

Es gibt in Sachsen ebenso wenig wie in anderen Bundesländern (Berlin ausgenommen), Mechanismen, um neutrale Ermittlungen durchzuführen, wenn Polizei rechtliche Begrenzungen übertritt. Eine Justizministerin mit Punkband-Biografie? Etwas Besseres kann es doch gar nicht geben. Wir brauchen mehr Punks in den Ministerien, Menschen mit einem ausgeprägten Misstrauen gegenüber staatlichen Behörden. Menschen, die sich trauen, unbequeme Fragen zu stellen. Ob Katja Meier das ist, weiß ich nicht, aber ihre Zeit mit den Harlekins ist nicht das Problem.

Update, 03.01.2020 um 14:32 Uhr 🤦