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Massaker mit 10.000 Schüssen: Der Blutmai 1929 in Berlin

Posted: November 4th, 2020 | Author: | Filed under: Geschichte | Tags: , , | No Comments »

Stellt euch vor:
☑️ SPD-Regierung
☑️ Versammlungsverbot
☑️ Aufruf zu Verstößen
☑️ Sponties
☑️ Polizeigewalt

Am Ende sind 33 Menschen, die meisten Unbeteiligte, tot.

Ein Thread zum #Blutmai 1929.

„Die Polizei, die nach eigener Zählung 10.981 Schüsse abgegeben hatte, musste nur 47 verletzte Beamte beklagen, zehn kamen ins Krankenhaus. Nur einer hatte eine Schussverletzung erlitten – durch unsachgemäßes Hantieren mit seiner Waffe.“ (Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/unruhen-in-berlin-1929-blutige-tage-im-mai/24266080.html)

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Wie so viele Ereignisse der Geschichte, in denen Polizeigewalt in all ihrer Konsequenz sichtbar wird, ist der #Berlin|er Blutmai 1929 ein eher unpopuläres und oft im Sinne des heutigen Staatsnarrativs verklärtes Verschwommenes im Kontext der sterbenden Weimarer Republik.

Das liegt wohl auch daran, dass Ereignisse wie der Blutmai nicht nur das bürgerliche Bild des Freund und Helfer und „Bollwerk gegen die Anarchie“, sondern auch das Verständnis vom gütigen Staat der Freiheit erschüttert.
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Dabei hängt der Blutmai auch mit Kriminalisierung antifaschistischen Protests, Polizeischutz für Nazis und Hufeisen-Denken zusammen. Links wird als Gefahr gesehen, während Hitler bloß verständliche nationalistische Bedürfnisse befriedigt. Das Versammlungsverbot rührte daher…
Ende 1928 gab es einige Provokationen durch Hitler und Goebbels mit Auftritten in Berlin. Die Polizei schützte die Veranstaltungen. Es gab massiven Protest. Als Folge: das Verbot „aller Versammlungen unter freien Himmel“ von Polizeipräsident Zörgiebel (SPD).
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Das gemeinsame Feindbild von Nazis und Bürgerlichen sind Kommunisten. Goebbels forderte, die „Braunhemden“ vor „tumultuarischen Szenen“ eines „wüsten Mobs“ zu schützen.

Für mich klingt das sehr wie die heutigen Dämonisierungen von Antifa. Aber hey… 🤷

Mit dem Verbot möchte die bürgerliche Regierung Berlins a. Härte zeigen, um das Schwachreden des Staats von rechts zu kontern und b. über die eigene Überforderung hinwegzutäuschen. Ein gemeinsamer Feind in Form der KPD kommt da gerade Recht. Denn es geht 1929 nicht nur um rechts gegen links, sondern auch um SPD gegen KPD, Sozialdemokraten gegen Kommunisten. In der KPD ging’s stalinistisch zu, und der Personenkult um Stalin und Ernst Thälmann nahm immer mehr zu. Ab 1928 setzte sich „sozialfaschistisch“ für SPD fest.
Die SPD hingegen wollte sich mittig-bürgerlich profilieren und positionierte sich gegen die KPD, die aus ihrer Sicht die innere Ordnung in der Weimarer Republik gefährdete. Also: Versammlungsverbot zum 1. Mai – what could go wrong?
Ein Menge! Und das mit Ansage und brutaler Gewalt eines Staates, der später behaupten wird, von der Brutalität Hitlers überrascht worden zu sein.
Auch wenn die Aufrufe der KPD revolutionär klingen mögen: Geplant war eine friedliche Demonstration – das wußte auch der Polizeipräsident.

»Die Demonstration soll einen friedlichen und unbewaffneten Charakter tragen.«

Quelle: Probleme/Projekte/Prozesse Blutmai 1929
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Auch heute noch geht es dann so: Gewaltandrohung und Dämonisierung. Dazu erschienen in der sozialdemokratischen Presse gegen die KPD gerichtete Verdächtigungen:
„Die KPD braucht Leichen“ oder „200 Tote am 1. Mai“.
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Zum 1. Mai wurden dann etwa 13.000 Polizisten in Berlin zusammen gezogen. Während SPD und Gewerkschaften den Tag in zahlreichen Lokalen begehen, versuchen KPD und Co auf der Straße Demozüge zu formieren. Cops gehen dagegen mit Gummiknüppeln, Wasserwerfern und Warnschüssen vor.
Dabei werden quasi alle Zusammenkünfte auf offener Straße angegriffen. Die Polizei scheitert kläglich, als Gewerkschaftsveranstaltungen enden und die Menschen auf die Straße gehen und sich anschließen.
Rund 200.000 werden geschätzt. Trotzdem kommt es überall zu Clashes und Angriffen der Cops. Es werden Barrikaden errichtet. Die Polizei schießt wahllos auf Menschen. Die Polizei setzt Panzerautos ein, schießt oft wahllos in Hausflure und in Fenster, durchsucht Wohnungen.

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Das erste Opfer ist wohl ein Sozialdemokrat. Max Gmeinhardt kehrt von einer Maifeier zurück nach Hause. Als er der Forderung, sein Fenster zu schließen nicht sofort nachzukommt, eröffnen Cops das Feuer und treffen ihn in den Kopf.
Für den 2. Mai ruft die KPD zu Protesten gegen die Polizeigewalt auf, was die Polizei zu weiterer Eskalation veranlasst. Es werden Wohnungen durchsucht und viele gefangengenommen. Wedding und Neukölln werden abgeriegelt.
Am 3. Mai gibt es eine totale Ausgangssperre: Herumstehen war verboten, Fahrradfahren, das Zusammentreffen von mehr als drei Personen. Fenster zur Straße waren geschlossen zu halten, in den Zimmern durfte kein Licht brennen.
„Alle Personen, welche diese Anordnungen nicht befolgen, setzen sich Lebensgefahr aus“ so Polizeipräsident Zörgiebel.
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Dann startet eine Säuberungsaktion: Cops dringen in vor, nehmen die jeweils andere Straßenseite unter Feuer. Ein Panzerwagen beschiesst die oberen Stockwerke und weitere MG-Stellungen werden aufgebaut, Häuser durchsucht. Am Morgen des 4. Mai ist der Widerstand zusammengebrochen.
In der Folge gehen staatliche Stellen hart gg. die KPD vor – sie habe die Unruhen provoziert. Und das obwohl Schüsse auf die Polizei sich in keinem Fall bestätigen. Spaltung der Linken ist unversöhnlich. Der Mythos der blutrünstigen Radikalen Linken lebt.
Epilog: Die Darstellung der Episode des Blutmai ist mMn äußerst gelungen. Für eine Linke, die Polizei fundiert kritisieren will, ist es wichtig, die Situation um den Mai 1929 zu verstehen. Zu verstehen, dass Gewaltexzesse kein Zufall und auch kein neues Phänomen sind.
Die Kommunisten waren u. a. stalinistisch drauf und wahrscheinlich nicht das, was ich mir heute unter einer radikalen Linken vorstelle, aber sie haben gekämpft. Einen aussichtslosen Kampf gegen die SPD, gegen Nazis und einen Staat, der wieder Krieg in die Welt bringen wollte.
Während meiner Recherche bin ich außerdem auf mehrere Seiten der #dgb gestoßen, auf der von „wilden Schießereien“ die Rede ist. Ausgerechnet ein Gewerkschaftsbund, der der rechten #GdP ein Zuhause gegeben hat, sollte sich schämen, die Geschichte derart zu verzerren.

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Musste im Zusammenhang mit dem Blutmai immer wieder auch an das Massaker 1961 in Paris denken. https://twitter.com/Resistance2O20/status/1317358496199954432?s=20